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Endlich „mehr ökonomischer Sachverstand“ – gleichzeitig in Berlin und Kiew
NachDenkSeiten – Die kritische Website
11/18/22 • 10 min
„Vermögensverwalter“ BlackRock bekommt im Ukraine-Krieg noch mehr Einfluss.
Jetzt zieht im deutschen Wirtschaftsministerium endlich „mehr ökonomischer Sachverstand“ ein, freute sich die Zeitung für Deutschland. Das sei dringend nötig, denn der grüne Wirtschafts- und Umweltminister Habeck und sein Ministerium wirkten bisher „in mehreren wichtigen ökonomischen Fragen nicht recht sattelfest“, so die FAZ. Von Werner Rügemer.
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BlackRock-Managerin leitet Grundsatzabteilung im Wirtschaftsministerium
Das werde nun hoffentlich anders, da Elga Bartsch bei Robert Habeck die Leitung der Grundsatzabteilung „Wirtschaftspolitik“ übernehme. Die Ökonomin habe schließlich lange als europäische Chefvolkswirtin von Morgan Stanley gearbeitet. Und vor allem, so lobte die US-nahe Kapital-Postille, habe Bartsch zuletzt die Abteilung für Wirtschafts- und Marktforschung beim Vermögensverwalter BlackRock geleitet.[1]
Da braucht es also auch gar keinen BlackRock-Lobbyisten mehr wie Friedrich Merz, der umständlich und möglichst verdeckt für seinen Auftraggeber Einfluss nehmen soll – nein, mit Grün und SPD sitzt BlackRock schon mitten in der Regierung.
„Vermögensverwalter“ klingt gut, fast heimelig, oder? Aber BlackRock macht wealth management, organisiert die möglichst schnelle und hohe Vermehrung des Reichtums seiner Kunden, der Superreichen, der Multimillionäre und Multimilliardäre, aber auch der Staats- und Pensionsfonds, die die private Altersvorsorge von Millionen Beschäftigen managen.
BlackRock ist der größte Eigentümer von Aktien in Deutschland, gehört zu den führenden Aktionären aller 40 DAX-Konzerne, von Siemens und Deutscher Bank und Commerzbank und RWE und Bayer und Daimler und vom größten Wohnungskonzern Vonovia und vom zweitgrößten Wohnungskonzern Deutsche Wohnen und vom drittgrößten Wohnungskonzern LEG und so weiter. Und die DAX-Konzerne schütteten zuletzt für das angebliche Krisenjahr 2021 soviel Gewinne an die Aktionäre aus wie noch nie – wie die „Zeitung für Deutschland“ begeistert berichtete.[2]
BlackRock: Fracking, Rüstung...
BlackRock kennt sich also aus in Deutschland: Gewinne rausziehen, Innovationen verschlafen, Arbeitsplätze abbauen, De-Industrialisierung – und das alles schon vor dem Ukraine-Krieg.
Mit dem Krieg und BlackRock geht das noch beschleunigt weiter: BlackRock gehört zu den führenden Aktionären der US-Frackingindustrie, der Top Ten der US-Rüstungskonzerne, der Öl-Konzerne undsoweiter.
Da ist es natürlich gut, wenn dem deutschen Wirtschafts- und Umweltminister klargemacht wird: US-Frackinggas ist zwar umweltschädlich und für die Anwohner tödlich und sechs- bis achtmal teurer als russisches Gas – aber das rechnet sich, so die Lernaufgabe bei Frau Bartsch, die ab jetzt beim grünlackierten Wirtschaftsminister für die endgültige „Sattelfestigkeit“ sorgen soll.
Es muss sich ja nicht für Deutschland oder die Wirtschaft in Deutschland oder für die Beschäftigten in Deutschland oder die Energiesicherheit in Deutschland rechnen – es geht ja um „Höheres“, nicht wahr?
BlackRock: Faire und gerechte Renditen auch in der Ukraine
Weil es um mehr und um Höheres geht, wurde BlackRock gleichzeitig Berater der ukrainischen Regierung in Kiew. Dass BlackRock sich mit Krieg auskennt, machte der weltgrößte „Vermögensverwalter“ zum Beispiel klar – nur ein kleines Beispiel – als er nach der Verkündung des 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramms des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz für die Bundeswehr sofort den Aktienanteil im Rüstungskonzern Rheinmetall erhöhte. Aber es geht nicht nur um Krieg, sondern auch, zum Beispiel, um die weitere Eroberung der Ukraine.
So gab die ukrainische Regierung im September 2022 bekannt: BlackRock richtet für die Ukraine einen Fonds zum Wiederaufbau ein. Ziel des Fonds ist es, „öffentlichen und privaten Anlegern die Möglichkeit zu geben, sich am Wiederaufbau und an der Verjüngung der Marktwirtschaft in der Ukraine zu beteiligen, indem den Anlegern faire und gerechte Renditen geboten werden“.
Zelenskij bekräftigte persönlich: „Wir haben gezeigt, dass wir wissen, wie man auf dem Schlachtfeld gewinnt. Eine weitere wichtige Aufgabe für uns ist es, auch in der Wirtschaft Siege zu erringen und ein attraktives Land für Investoren zu sein.“[3]
„Verjüngung der ukrainischen Marktwirtschaft“
BlackRock kennt sich schon lange auch in der Ukraine aus: Als führender Aktionär des größten Zigarettenherstellers in der Ukraine, des US-Konzerns Philip Morris, und als führender Aktionär bei John Deere, Monsanto/Bayer, Cargill, Glencore, die das Agro-Business mit der fruchtbaren Schwarzerde managen.
Zukünftig, so e...
Lob des Laizismus – Warum der Staat selbst gottlos sein sollte
NachDenkSeiten – Die kritische Website
11/20/22 • 11 min
In ihrem kürzlich ins Deutsche übersetzten Buch „Lob des Laizismus“ sorgt sich die französische Autorin Caroline Fourest um unsere mühsam erkämpfte Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit. Ihr Plädoyer: Wir müssen unsere freiheitliche Gesellschaft gegen jede Form religiöser Anmaßung verteidigen. Von Helmut Ortner.
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Beginnen wir hierzulande. Noch immer gibt es eine Fülle anachronistischer Gesetze und Subventionen, etwa bei der horrenden öffentlichen Finanzierung von Kirchentagen oder der Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, die Finanzierung theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten bis hin zu Kirchenredaktionen in deutschen Landes-Rundfunkanstalten. Daran wird sich auch in naher Zukunft wenig ändern. Zu stark ist der klerikale Lobbyismus, die Kirchenhörigkeit der Politik. Dabei gibt es einen klaren Verfassungsauftrag in Deutschland, die Komplizenschaft von Kirche und Staat zu beenden. Seit mehr als einhundert Jahren. Doch passiert ist bislang nichts.
Dabei hat eine integrationsbedingte Pluralisierung der religiösen Geografie die bewährte, traditionelle Arbeitsteilung zwischen Kirche und Staat in Schieflage gebracht. Der Staat ist gefordert, sich religionspolitisch neu zu orientieren. Wie das Neutralitätsgebot des Staates angesichts wachsender kultureller, ethnischer und religiöser Vielfalt vorangetrieben, wie Grundsätze des säkularen Staates verteidigt werden können, darüber besteht wenig Einigkeit.
Vielleicht kann die Lektüre des gerade auf Deutsch erschienenen Buches der französischen Autorin Caroline Fourest hier für beschleunigten Erkenntnisgewinn sorgen. Ihre Streitschrift möchte uns daran erinnern, das Weltliche vom Religiösen zu trennen, gerade weil die fundamentalistische Verschmelzung von beidem vielerorts hoch im Kurs steht. Notwendiger denn je ist – so die Autorin – eine »laizistische Wachsamkeit«. Fourest klärt auf: Schon der Begriff Laizismus wird vielfach unterschiedlich definiert und gedeutet. Im Arabischen wird er häufig mit Atheismus verwechselt, während die englischsprachige Welt ihn mit »Säkularismus« gleichsetzt. Häufig einigt man sich darauf, darunter die Trennung von religiösen und zivilen Räumen zu verstehen, ohne jedoch auf einer rigiden Separierung beider Bereiche zu bestehen.
In Frankreich ist man da etwas anspruchsvoller – und strikter. Was mit Laizismus zum Ausdruck gebracht wird, ist die unbedingte Leidenschaft für Gewissens- und Weltanschauungs-Freiheit. Im Gesetz von 1905 heißt es:
„Die Republik gewährleistet Gewissensfreiheit, garantiert die freie Ausübung der Religion (...) erkennt jedoch weder einen Kultus an, noch zahlt sie ihm Gehälter oder Subventionen.“
Das Gesetz ist Text und Ideal zugleich. Keine Religion wird staatlich bevorzugt. Es schafft ein gesellschaftliches Gleichgewicht, das den Kräften des religiösen Dogmatismus in einem jahrhundertelangen Kampf abgerungen wurde. Doch das »französische Modell«, um das es in diesem Buch zentral geht – also die Trennung von Staat und Kirche sowie die religiöse Neutralität des Ersteren – steht unter heftiger Kritik. Höchste Zeit also für dessen Verteidigung, meint Caroline Fourest, Sachbuchautorin, Journalistin und Filmemacherin, die sich selbst als »Charlie-Hebdo-Linke« bezeichnet. Mit klarer Sprache und rhetorischer Verve verweist sie darauf, dass Frankreich sich in einem fanatischen, mörderischen Religions-Kampf befindet, was hierzulande gerne ignoriert wird: Zwischen 1979 und 2021 gab es 82 islamistische Attentate mit über 330 Toten. Eine Schreckensbilanz. Die Autorin plädiert für eine offensive Gegenwehr.
In dieser brisanten Melange aus Terror, Hass, Gleichgültigkeit, Rechtfertigung und gegenseitiger Schuldzuweisung stehen auch die Grundsätze und Grundwerte des Laizismus unter Beschuss. Zwar findet der Laizismus in der öffentlichen Meinung Frankreichs weitgehende Zustimmung – und doch hat er Feinde, auch viele falsche Freunde. Ob Extremisten, Nationalisten oder Identitäre, alle bedienen sich seiner. Von der Rechten und der extremen Rechten jahrhundertlang bekämpft, wird er als Waffe zur Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Islam benutzt. Fourest verwahrt sich hier gegen jede Form vereinnahmender Instrumentalisierung, die, wie etwa Marine Le Pens Rassemblement National, laizistische Argumente im Kampf gegen Islam und Islamismus einsetzt, dabei „die Neutralität der laizistischen Schule beschwört und eine christlich-klerikale Idee von Nation verteidigt. Das Gegenteil der republikanischen Idee von Gleichheit und Brüderlichkeit, welche der Laizismus ist” (S. 211).
Die Linke hingegen traue sich nicht, offensiv laizistische Argumente zu benutzen, weil sie befürchte, damit den grassierenden Rassismus zu stärken, moniert Fourest. Einer der kursierenden Einwände lautet, dass der Laizismus geg...
Nach der Wahl in Frankreich fehlt dem Präsidenten die Mehrheit im Parlament
NachDenkSeiten – Die kritische Website
06/21/22 • 8 min
Nun sind sie vorbei, die Parlamentswahlen in Frankreich. In der ersten Runde der Parlamentswahlen erzielte das neugegründete linke Bündnis NUPES mehr als einen Achtungserfolg. In der zweiten Runde kam das Bündnis von Präsident Macron nicht auf die erhoffte absolute Mehrheit. Aber auch das Bündnis NUPES schaffte es trotz großer Stimmengewinne „nur“, eine Oppositionsrolle zu übernehmen. Wie geht es weiter? Frank Blenz für die NachDenkSeiten fragte bei dem Frankreich-Experten und Politologen Sebastian Chwala nach.
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Wie schätzen Sie die Wahlen zum Parlament in Frankreich innenpolitisch für den unterlegenen Macron ein, obwohl seine „Marschierer“ doch gewonnen haben?
Der Ausgang der französischen Parlamentswahlen kommt einem richtigen Erdbeben gleich. Noch nie in der Geschichte der 5. Republik stand ein Staatspräsident derart geschwächt da. Sein politisches Lager besitzt keine Mehrheit. 289 Sitze braucht Macrons Bündnis für die absolute Mehrheit im Parlament, um „durchregieren“ zu können. Mit 246 Sitzen liegt der “Macronismus” weit von jener Marke entfernt, die für diese Parlamentsmehrheit notwendig ist.
Mit dem Verlust von 105 Mandaten sind die Zeiten Geschichte, in denen Macron ohne Widerstand sämtliche Gesetzesvorhaben im Eilverfahren durch seinen Premierminister durch das Parlament peitschen konnte. Es ist nun so, dass seine “Playmobils”, so heißt der bösartige Name der LREM-Abgeordneten wegen ihrer eigenen politischen Passivität, nicht mehr zahlreich genug sind.
Aktuell ist unklar, wie es mit dem „Macronismus” in Frankreich weitergehen wird. Es geht um Mehrheiten, es geht um Macrons Politik, die er als starker neoliberaler Präsident durchsetzen will. Einerseits könnte Macron im Parlament versuchen, von Fall zu Fall Mehrheiten für seine Gesetzesvorhaben zu erreichen. Hier läge eine Zusammenarbeit mit den rechtsbürgerlichen “Republikanern” (LR) auf der Hand, mit denen gemeinsam eine knappe Mehrheit zustande zu bringen wäre (307 Mandate). Diese haben allerdings schon angekündigt, in der Opposition verbleiben zu wollen.
Auf die Avancen des rechten RN, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, wird der „Macronismus“, so meine Einschätzung, nicht eingehen. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Die bestünde in der Auflösung der Nationalversammlung und der Ansetzung von Neuwahlen. Unter Verfassungsjuristen herrscht aber Einigkeit darüber, dass diese Option erst im nächsten Jahr auf die Tagesordnung kommen könnte. Frankreich befindet sich damit nun erst einmal in einer veritablen institutionellen Krise, da kein Lager von sich aus genügend Abgeordnete hinter sich versammeln kann.
Wie sehen Sie das Abschneiden des Bündnisses NUPES und weiterer linker Kräfte?
Die Linke, die mit NUPES phasenweise dem Anspruch stellte, die Wahlen vielleicht sogar zu ihren Gunsten zu entscheiden, muss sich vorerst mit einer Oppositionsrolle begnügen. Zwar konnte man mit mindestens 149 gewonnenen Mandaten (noch ist unklar, ob sich “freie Linke” einer der NUPES-Fraktionen anschließen) die Anzahl mehr als verdoppeln, doch die 200-Sitze-Marke blieb weit entfernt.
Es gelang, die urbanen Sitze, von denen viele im Jahr 2017 an die “Marschierer” gefallen sind, zurückzuerobern. Das einst kommunistisch dominierte Seine-Saint-Denis-Département kam jetzt als ein Beispiel nach langer Zeit wieder vollständig in die Hand der Linken. Doch ein Einbruch in die Peripherie gelang nicht wirklich. Dies dürfte nicht nur an der niedrigen Wahlbeteiligung gelegen haben, sondern auch an der dort für die Linke ungünstigen demographischen Situation.
Jean-Luc Mélenchon wird in nächster Zeit nicht Premierminister. Die Frage wird sich stellen, ob NUPES in den nächsten Tagen und Wochen seine Bindungen vertieft oder ob es dazu kommt, dass es in die einzelnen Fraktionen der Parteien zerfällt. Es wird an Mélenchon liegen, ob er eine zentrale Rolle weiter einnehmen wird.
Wie sehen Sie das Abschneiden der rechten Kräfte?
Ja, der RN ist zur stärksten Oppositionsfraktion angewachsen. Mit 89 Abgeordneten verfügt er über mehr Mandate als LFI. Diese Fraktion dürfte 76 oder 77 Mitglieder umfassen. Der Erfolg des RN ist deshalb so groß ausgefallen, weil die macronitischen Wähler, aber auch die des LR die Unterstützung linker Kandidaten verweigerten. Lediglich ein Bruchteil der Wähler stimmte in den zwischen NUPES und RN umkämpften Wahlkreisen für li...
Böhmermann und Spiegel gegen Lanz: Die Torwächter der Corona-Meinungsmache
NachDenkSeiten – Die kritische Website
09/09/21 • 8 min
Jan Böhmermann wirft Gästen von Markus Lanz „Menschenfeindlichkeit“ vor, weil sie die Corona-Politik kritisieren. Der TV-Entertainer fordert gar eine „strenge, umfassende mediale und gesellschaftliche Qualitätskontrolle“, bevor bestimmten Meinungen eine Bühne bereitet werde. Der Vorgang steht, auch wenn er zunächst nebensächlich erscheint, exemplarisch für die bedenkliche Rolle, die sich Teile der Medienlandschaft inzwischen anmaßen. Von Tobias
Omikron ist die goldene Gelegenheit für einen Exit, doch in Deutschland will man das nicht verstehen
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01/18/22 • 13 min
Omikron hat Europa erobert. Wie vorherzusehen war, explodierten die Inzidenzen in den meisten europäischen Ländern in den letzten Wochen. Doch das ist kein Grund zur Besorgnis, da die Daten auf breiter Basis nun klar belegen, dass die Krankheitsschwere durch die Mutation sehr deutlich zurückgegangen ist. Während Länder wie Dänemark „trotz“ einer Inzidenz von mehr als
Antisemitin des Tages: Greta Thunberg. Ja geht’s noch?
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11/21/23 • 11 min
Wir haben die Mantras noch in den Ohren: Selbstverständlich darf man Israel kritisieren! Die Kritik an Israels Palästinapolitik ist nicht automatisch mit Antisemitismus gleichzusetzen! Pustekuchen! Wenn sich jemand, der in der Öffentlichkeit steht und dessen Worten von den Medien eine gewisse Bedeutung zugeschrieben wird, sich tatsächlich die Freiheit nimmt, die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel zu kritisieren, befindet er sich sofort im Fadenkreuz der Schreibtischsniper. Es geht um die Deutungshoheit und da verstehen die Leitartikler keinen Spaß und kennen weder Anstand noch Gnade. Diese Erfahrung musste nun die – jetzt wohl zumindest für Deutschland „ehemalige“ – Ikone der Klimabewegung, Greta Thunberg, machen. Die sich selbst als „linkliberal“ verstehenden Haltungsjournalisten von SPIEGEL und Co. zeigen, dass sie es in Sachen Boshaftigkeit mühelos mit rechten Forenschreibern aufnehmen können, die Thunberg schon seit langem ganz oben auf ihrer Abschussliste haben. Ein Kommentar von Jens Berger.
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Der Hauptstadtjournalismus hat ein neues Opfer gefunden – Greta Thunberg. Galt die schwedische Klimaaktivistin den Meinungsmachern des Mainstreams bis vor kurzem noch als engelsgleiche Prophetin einer unbequemen Wahrheit, so scheint sie nun sogar Sahra Wagenknecht als mediale Inkarnation der Leibhaftigen abgelöst zu haben. Der aktuelle SPIEGEL widmet der „Greta-Frage“ als Titelthema gleich ganze 14 Seiten; 14 Seiten, auf denen sich der SPIEGEL fragt, ob die Schwedin „Antisemitin oder einfach nur naiv“ ist und die Antwort trotz Fragezeichen gleich mitbringt: Ja, das Vorbild unserer Kinder ist eine Antisemitin. Was hat Thunberg verbrochen, wird man sich nun fragen. Doch auf diese Frage findet man auch nach mehrfacher Lektüre der SPIEGEL-Titelstory keine Antwort.
Startschuss der Kampagne war ein Beitrag, den Thunberg am 20. Oktober in den sozialen Netzwerken verfasst hat und in dem sie zusammen mit drei anderen Klimaaktivistinnen ihre Solidarität mit den Palästinensern ausdrückte und einen Waffenstillstand fordert. Was ist daran antisemitisch? Nichts. Findige Investigativjournalisten entdeckten jedoch einen Stofftierkraken und „das Bild des Kraken, dessen Tentakel die Welt umspannen, [sei] eine Chiffre, die direkt an die antisemitische NS-Propaganda anschließt“. Fall geklärt. Thunberg ist eine Antisemitin, die über geheime Chiffren unsere Kinder zum Judenhass aufstachelt. Später erklärte Thunberg erstaunt, dass es sich bei dem Stofftier um ein Therapiemittel für autistische Kinder handele. Aber das ließen die Inquisitoren der Medien nicht gelten. Laut WELT seien dies „schon recht große Zufälle, zumal unter der Krake [ein] Kissen mit Pilzen zu sehen [sei] und eines der bekanntesten Propagandabücher der Nazis hieß: ́Der Giftpilz ́“. Wie abartig kann Journalismus sein?
In dieser Qualität gingen die Vorwürfe dann weiter und sie fanden für die Meinungsmacher letzte Woche auf einer Klimademo in Amsterdam ihre Bestätigung. Da stand Thunberg mit einer Kufiya auf der Bühne und sagte, die Klimaschutzbewegung habe die Pflicht, „auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen“. Sie haben richtig gelesen. Dieses Zitat wird im SPIEGEL-Artikel tatsächlich als Beleg für eine antisemitische Grundhaltung Thunbergs herangezogen. Später skandierte Thunberg noch „Keine Klimagerechtigkeit in einem besetzten Land“, was – und hier wird es für die Meinungsmacher kritisch – von den Amsterdamer Demonstranten bejubelt wurde. Aber zurück zur „Greta-Frage“: Was ist daran antisemitisch? Dass die Palästinensergebiete von Israel besetzt sind, ist Fakt und völkerrechtlich unumstritten.
Auch die SPIEGEL-Redakteure wissen, dass ihre Vorwürfe gegen Thunberg keine Basis haben. Daher drehen sie die Anklage rhetorisch um. Nicht das, was Thunberg sagt, sei Ausweis für ihren Antisemitismus, sondern das, was sie nicht sagt. Im SPIEGEL-Artikel liest sich das dann folgendermaßen ...
Aber die Existenz des Staates Israel ist nicht verhandelbar. Jüdinnen und Juden werden seit Jahrhunderten verfolgt. Allein im Holocaust wurden sechs Millionen von ihnen umgebracht. Wer wie Greta Thunberg das Leid der israelischen Frauen unterschlägt, die am 7. Oktober vor den Augen ihrer Kinder von Hamas-Kämpfern vergewaltigt wurden, das Leid der Familien, deren Kinder vor den Augen ihrer Eltern getötet wurden, wer dieses Leid unterschlägt, weil die Opfer Israelis waren, Jüdinnen und Juden, der begibt sich in die geistige Nähe zum Antisemitismus. Mindestens.
Aus „Die Greta-Frage“,
„Ökonomischer Selbstmord“? Aber warum halten dann die Industrie-Lobbys still?
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06/21/22 • 7 min
Zahlreiche Beobachter warnen, dass die Bundesregierung mit den aktuellen Wirtschaftssanktionen einen „wirtschaftlichen Selbstmord“ begünstigen könnte. Aber von einer Gegenwehr durch Vertreter mächtiger Industrie-Verbände ist nur wenig zu spüren. Dass die Lobby-Verbände der Privatwirtschaft wirkungsvolle Kampagnen lostreten können, wenn sie ihre Interessen durch soziale Forderungen bedroht sehen, mussten die Bürger oft erfahren – momentan verzichten diese Machtgruppen aber anscheinend auf Einflussnahme. Was könnten die Gründe für diese Zurückhaltung sein? Vielleicht haben unsere Leser Erklärungsansätze. Von Tobias Riegel.
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Dass die Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesregierung fatale Folgen für die industrielle Basis Deutschlands und damit indirekt und langfristig für die Bürger haben könnte, haben in den letzten Wochen zahlreiche Beobachter beschrieben. Jens Berger hat die Thematik etwa hier aufgegriffen, Florian Warweg hat hier potenzielle Folgen für die Region Berlin beschrieben und gerade hat Michael Lüders im „Freitag“ gewarnt:
„Der völlige Verzicht auf Erdgas und Öl aus Russland grenzt an wirtschaftlichen Selbstmord.“
Aktuell wird von offizieller und medialer Seite oft behauptet, dass die gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Erschütterungen in Deutschland direkte „Folgen von Putins Angriffskrieg“ seien. Das trifft so nicht zu. Die Erschütterungen sind vor allem Folge von eigenem, zielgerichtetem Handeln. Wie die SPD versucht, Russland die Schuld an der Inflation zu geben, hat Albrecht Müller gerade hier beschrieben. In welch zynischer Weise Wirtschaftsminister Habeck (GRÜNE) die Folgen der eigenen Politik auf die Bürger abwälzen möchte, hat Jens Berger hier aufgegriffen. Zu den selbst provozierten Gefahren durch die Sanktionen kommen noch die von der Regierung gesteigerten Rüstungsausgaben als schwere gesellschaftliche Hypothek hinzu.
Sanktionen gegen die Bürger
Die riskante Sanktionspolitik der Bundesregierung hat dabei keinen positiven Einfluss auf das Kriegsgeschehen – und auch nicht auf moralische Fragen, nicht auf den Umweltschutz und anscheinend auch nicht in gewünschtem Maße auf die russische Wirtschaft. Vor allem aber bei uns, in unseren Arbeitsmärkten und sozialen Gefügen werden die selbst gemachten Sanktionen und die selbst gemachte Wirtschafts- und Außenpolitik möglicherweise eine sehr zerstörerische Wirkung entfalten.
Hier müssten die Bürger, die Gewerkschaften und weitere gesellschaftliche Gruppen endlich Widerstand formulieren. Doch der bleibt bisher weitgehend aus, auf weite Teile der Medienlandschaft ist momentan nicht zu hoffen.
Und wo sind momentan die Interessenvertretungen der Großindustrie? Auf Kampagnen von Konzernen als „Rettung“ zu setzen, wäre selbstverständlich grotesk. Solche Einmischungen von privatwirtschaftlicher Seite, die ausschließlich durch die finanziellen Möglichkeiten der Verantwortlichen gerechtfertigt sind, sind abzulehnen. Sie sollen hier auch nicht gefordert werden – aber es wird die Bobachtung beschrieben, dass die Interventionen gerade jetzt (anscheinend) ausbleiben.
Die Machtgruppen schweigen
Machtgruppen wie der BDI oder die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ haben alle Voraussetzungen zu wirkungsvollen Kampagnen, wenn es etwa darum geht, Verbesserungen bei der Rente oder der Entlohnung zu verhindern. „Die Industrie“ hat ihre Fähigkeiten zur politischen Einflussnahme bereits häufig unter Beweis gestellt – so häufig, dass die Mutmaßung, die politischen Geschicke würden auch, oder vor allem, nach Maßgabe von Konzern-Lobbys gestaltet, nicht abwegig erscheint: „Die Staatsgewalt geht vom Großen Geld aus“, überschreibt etwa Albrecht Müller ein Kapitel in seinem aktuellen Buch.
Wenn in der Vergangenheit also Interessen der großen Arbeitgeber bedroht schienen, so haben deren mächtige Abwehrmechanismen bestens funktioniert. D...
„Homophob sind nur die Russen!“ oder: Wie ein geopolitischer Konflikt ideologisiert wird
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06/21/22 • 7 min
Die neue West-Ost-Konfrontation wird zunehmend auch ideologisch aufgeladen. Ging es im ersten Kalten Krieg um „Freiheit versus Sozialismus“, sind nun die Geschlechteridentitäten zum ideologischen Schlachtfeld avanciert. Wobei die konstruierten Polaritäten auf beiden Seiten falsch sind. Von Leo Ensel.
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Vor 50 Jahren, im Sommer 1972, fanden die Olympischen Sommerspiele in einem Land statt, das die Menschenrechte eklatant verletzte – und keiner merkte was! Das Land hieß Bundesrepublik Deutschland und verletzt wurden die Rechte von Schwulen. Der Paragraph 175 StGB, der einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen (männlichen) Homosexuellen unter Strafe stellte, wurde erst vor knapp 30 Jahren im Zuge der deutschen Wiedervereinigung ersatzlos gestrichen.
Damals protestierte niemand gegen diese Menschenrechtsverletzungen. Auch nicht diejenigen Politiker*innen, die sich heute so gerne in bester Stellvertreterbetroffenheits-Manier politisch-kokett das Elend der gesamten Welt ungefragt auf ihre schmalen Schultern laden und sich bei eingeschalteten Kameras mit dem Zeigefinger stets auf Russland deutend in ihrer gefühlten moralischen Überlegenheit sonnen! Ebenso schwieg die gesamte liberale westdeutsche Presse von der „Zeit“ bis zur „Frankfurter Rundschau“. Und die progressiven Lehrer der Odenwaldschule widmeten sich stattdessen lieber intensiv ihren abhängigen minderjährigen Zöglingen.
Wie sich die Zeiten geändert haben! Keine Woche vergeht, ohne dass eine neue diskriminierte Minderheit aus dem Zylinder gezaubert wird – inclusive Heerscharen von PolitikerInnen, Journalist_innen und Sozialpädagog*Innen, die selbstlos für deren Rechte kämpfen. Und wer nicht sofort für genderneutrale Toiletten plädiert, entlarvt sich als Sexist, Rassist, im harmlosesten Falle als Reaktionär. Keine Frage, unsere Gesellschaft wird täglich menschlicher, gerechter, vielfältiger und toleranter.
Schade nur, dass die ganze Welt noch nicht so denkt und handelt wie wir! Besonders die Russen.
Womit wir beim Thema wären. Den nun schon viele Jahre vor dem Krieg gegen die Ukraine andauernden Spannungen zwischen dem Westen und Russland, kurz: dem neuen West-Ost-Konflikt.
Kein kriegerischer Konflikt kann längere Zeit ohne ideologische Aufladung am Köcheln gehalten werden. Jeder geopolitische Konflikt bedarf auf Dauer der Ideologisierung, langfristig stirbt man nur gerne für höhere Werte! Die selbstverständlich die eigene Seite repräsentiert. So auch heute wieder.
Gender-Theorie: Der ‚Weltkommunismus des Westens‘
West und Ost tun eine Menge dafür, ihren spätestens seit dem Kiewer Euromaidan 2013/14 offen zutage getretenen neu-alten Machtkampf um Einflusssphären nachträglich doch noch ideologisch zu einem neuen „Kampf der Kulturen“ aufzublasen. Ging es im (ersten) Kalten Krieg um „Freiheit versus Totalitarismus“ bzw. „Sozialismus contra Kapitalismus“, so ist nun das Gebiet der Gender-Identitäten zum beidseitig bevorzugten ideologischen Schlachtfeld avanciert. Wobei es diesmal der Westen ist, der ideologisch die Nase vorn hat.
Mit dem Marxismus verfügte damals im Kalten Krieg die Sowjetunion über eine weltumspannende Ideologie. Heute führt mit ähnlich universellem Anspruch der Westen die Gender-Theorie ins Feld. Fast ist man versucht zu sagen: „Die Gender-Theorie ist der ‚Weltkommunismus des Westens‘!“ Russland dagegen befördert eine Renaissance konservativer – angeblich ur-russischer – Werte, wobei Faschisten wie Dugin bereits offen von einem russisch-konservativ dominierten Europa von Wladiwostok bis Lissabon träumen. Die neuen ideologischen Schlachtrufe lauten entsprechend aus westlicher Perspektive: „Aufgeklärt-toleranter vielfältiger Westen contra reaktionäres Russland!“ und aus russischer Sicht: „Heiliges Russland versus faulendes ‚Gayropa‘!“
Wobei die Fronten, die hier von beiden Seiten konstruiert werden, sich bei genauerer Betrachtung als reichlich schräg erweisen. Auf wundersame Weise, wie durch göttliche Fügung bestimmt, scheint die Spaltung zwischen Homophobie und sexueller Vielfalt exakt entlang der Grenze zwischen osterweiterter EU und wiedererstarktem Russland zu verlaufen. Homophob sind demnach nur die Russen! (Und die Weißrussen vielleicht auch noch. Aber auf keinen Fall – jedenfalls nicht seit dem 24. Februar – die Ukrainer!) Während in Westeuropa das Paradies der Vielfalt bereits Ereignis geworden ist.
Natürlich ist diese – von beiden Seiten konstruierte, lediglich konträr gewertete – Polarisierung falsch. Denn sie verläuft in Wirklichkeit nicht zwischen Russland und ‚dem Westen...
UN-Resolution zum sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Rolle westlicher Staaten
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12/14/23 • 6 min
Die UN-Vollversammlung hat am 12. Dezember 2023 per Resolution einen sofortigen humanitären Waffenstillstand im Gazastreifen verlangt. Der von Ägypten eingebrachte Antrag erreichte am Dienstag in New York die notwendige Zweidrittelmehrheit. 152 Länder stimmten dafür, zehn dagegen. 23 Länder enthielten sich. Dabei war das Abstimmungsverhalten der NATO- und auch der EU-Mitgliedsstaaten einmal mehr nicht einheitlich. Von Jürgen Hübschen.
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Von diesen Staaten stimmten gegen die Resolution:
Österreich, Tschechien und die USA
Von diesen Staaten stimmten für die Resolution:
Albanien, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Kanada, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Malta, Nordmazedonien, Montenegro, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, Türkei
Von diesen Staaten enthielten sich:
Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Litauen, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Ungarn
Das Auswärtige Amt erklärte zum deutschen Abstimmungsverhalten im Rahmen seiner „werteorientierten Außenpolitik“, die Resolution habe Deutschland „vor eine schwere Entscheidung“ gestellt. „Wir wollen das unerträgliche Leid der Menschen beenden – in Israel und in Gaza.“ Die Resolution fordere einen „pauschalen Waffenstillstand, sagt aber nicht, warum Israel gezwungen ist, sich zu verteidigen: „Weil die Hamas Israel am 7.10. barbarisch angegriffen hat. Und weil die Hamas Israel weiterhin vernichten will.“ Deswegen habe Deutschland nicht zustimmen können – aber weil man sich dafür einsetzen wolle, das Leid der Palästinenser zu beenden, habe man auch nicht dagegen stimmen können.
Bewertung des Abstimmungsverhaltens der NATO- und/oder der EU-Mitgliedsstaaten
Weder die NATO noch die EU haben es geschafft, ihre Geschlossenheit durch ein einheitliches Abstimmungsverhalten zu unterstreichen. Ganz offensichtlich ist drei dieser Staaten die humanitäre Lage der Menschen im Gazastreifen egal, sodass sie die Resolution abgelehnt haben. Ob das aus Solidarität zu Israel und/oder zu den USA der Fall war oder aus eigener Überzeugung, kann man letztlich nicht beurteilen. Die Staaten, die für einen humanitären Waffenstillstand gestimmt haben, halten die Verbesserung der unerträglichen humanitären Lage der Palästinenser für wichtiger als die Wiederholung der seitens der UNO bereits eindeutig erfolgten Verurteilung des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober 2023.
Die neun Staaten, die sich enthalten haben, waren nicht in der Lage oder vielleicht einfach zu feige, klar Position zu beziehen, ob ihnen das Leiden der Bevölkerung wichtiger war als eine erneute Verurteilung der Hamas, und haben sich deshalb vor einer Entscheidung gedrückt. Dabei ist unklar, ob das aus Überzeugung oder letztlich aus Angst vor möglichen Konsequenzen aus einer Zustimmung oder sogar Ablehnung geschehen ist. Die Aussage des deutschen Außenministeriums, „Wir wollen das unerträgliche Leid der Menschen beenden – in Israel und in Gaza“, ist aus meiner Sicht nicht nur unerklärlich, sondern im Grunde menschenverachtend. Hier werden politischen Prinzipien, nämlich vor allem der Solidarität mit Israel und dem Schulterschluss mit den USA Vorrang eingeräumt vor der Menschlichkeit, die in einer werteorientierten Außenpolitik den höchsten Stellenwert haben müsste. Um diese Tatsache nicht zu deutlich werden zu lassen, hat man sich der Stimme enthalten, einmal mehr nach dem Prinzip: „Wasch’ mich, aber mach’ mich nicht nass.“
Der ehemalige und jetzt verstorbene amerikanische Außenminister Henry Kissinger, dessen Lebenswerk man sicherlich sehr unterschiedlich bewerten kann und aus meiner Sicht auch muss, hat einmal auf die Forderung, die USA müsste ihre Politik mehr mit Europa abstimmen, dem Sinne nach gesagt: „Ich bin bereit dazu, aber nennen Sie mir die Telefonnummer Europas.“ Gemeint war damit, dass Europa nicht mit einer Stimme spricht, und genau das hat die EU durch ihr unterschiedliches Abstimmungsverhalten erneut bewiesen, das sogar in den baltischen Staaten nicht einheitlich war.
Vor diesem Hintergrund, dass noch nicht einmal eine abgestimmte Position zu einem Waffenstillstand möglich war, scheint es ausgeschlossen zu sein, dass es von der EU eine realistische Initiative gibt, um den Nahost-Krieg zu beenden.
Titelbild: Shutterstock / lev radin
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Studie der Universität Basel zu Booster-Impfung: 800-mal höhere „vorübergehende milde Schädigungen des Herzmuskels“ als erwartet
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11/10/22 • 11 min
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Basel und des dortigen Universitätskrankenhauses hat die Auswirkungen der Covid-19-Booster-Impfung auf den Herzmuskel untersucht. Das Ergebnis: Vorübergehende „milde Schädigungen“ sind weit häufiger als bisher angenommen. Zudem sind, entgegen bisherigen Annahmen, mehr Frauen als Männer davon betroffen. Der leitende Kardiologe Prof. Dr. Christian Müller zeigte sich von den Studienergebnissen überrascht. Es handelte sich dabei um die erste Studie dieser Art. Zuvor wurde dieses Phänomen laut der Studienleitung „nur passiv beobachtet und nicht aktiv danach gesucht“. Die Ergebnisse sollte man, so die Einordnung, „nicht überbewerten, aber auch nicht ignorieren.“ Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Schwerpunkt der interdisziplinären Studie lag „auf seltenen, aber relevanten Auswirkungen des ersten Covid-Boosters auf die Herzmuskelzellen“. Hintergrund für die Untersuchung war die Tatsache, dass es bisher nur Daten zu schweren Fällen von Herzmuskelentzündungen gab. Dies hatte vor allem junge Männer betroffen, die alle stationär behandelt werden mussten. Der die Studie leitende Kardiologe Prof. Dr. Christian Müller erklärt den Studienansatz in einem Beitrag auf der offiziellen Website der Universität Basel wie folgt:
„Unsere Frage war, wie häufig Schäden an Herzmuskelzellen nach dem Covid-Booster tatsächlich vorkommen. Dafür haben wir bei Mitarbeitenden des Universitätsspitals drei Tage nach der Auffrischimpfung einen Marker namens ‚kardiales Troponin‘ im Blut gemessen. Steigt die Menge des kardialen Troponins über den Normbereich, lässt das auf Schädigung an Herzmuskelzellen schließen. Es ging uns auch darum zu untersuchen, wie lange eine Schädigung anhält.“
Von dem Ergebnis zeigt sich das Forschungsteam um Prof. Dr. Müller überrascht:
„Wir haben erhöhte kardiale Troponinwerte bei einem höheren Anteil der Geimpften festgestellt als erwartet. Aus der früheren, passiven Beobachtung der schweren Fälle hatte man geschlossen, dass von 1.000.000 Geimpften etwa 35 eine Herzmuskelentzündung entwickeln. In unserer Studie haben wir Hinweise auf milde, vorübergehende Herzmuskelzellschäden bei 22 der 777 Teilnehmenden festgestellt, also bei 2,8 Prozent statt der erwarteten 0,0035 Prozent.“
2,8 Prozent Herzmuskelschäden nach Booster-Impfung klingt nicht nach besonders viel, gilt aber in einem Impfkontext als relativ hoch und entspricht zudem einer Steigerung auf das 800-Fache gegenüber den bisher antizipierten Fällen.
Uni Basel hat mir jetzt geantwortet. Steigerung bei Herzmuskelschäden nach Booster-Impfung beträgt tatsächlich das 800-fache bzw. 80.000%. Man ging von 0,0035% Fällen (35 von 1 Mio.) aus, fand bei Studie aber knapp 3 % aller Geboosterten mit Schädigung.https://t.co/RWy5D38pDc pic.twitter.com/ktqspVAGmY
— Florian Warweg (@FWarweg) November 10, 2022
Auffällig sei laut Prof. Dr. Müller in diesem Zusammenhang auch, dass in der aktuellen Untersuchung, im Gegensatz zu vorherigen Annahmen, dieser Effekt bei Frauen aller Altersklassen signifikant häufiger als bei Männern beobachtet wurde.
Wie erklären Ärzte und Wissenschaftler die Schädigung der Herzmuskelzellen nach der Booster-Impfung?
Die beteiligten Forscher haben bisher mehr Fragen als Antworten und verweisen auf die Notwendigkeit weiterer Studien. So könnte sowohl „ein Nebeneffekt der Immunantwort die Schädigung auslösen oder spezifische Bestandteile des Coronavirus, mit denen immunisiert wird. Auch eine grundsätzliche Rolle der mRNA-Technologie sei laut Prof. Müller nicht auszuschließen. Der die Studie leitende Kardiologe verweist zudem auf eine Einschränkung bei der Untersuchung:
„In unserer Studie haben wir nur den Moderna-Impfstoff angeschaut, weil wir zum damaligen Zeitpunkt nur diesen zur Verfügung hatten. Andere Studien lassen darauf schließen, dass die Schädigung von Herzmuskelzellen beim Impfstoff von Pfizer/Biontech seltener ist. Der Unterschied könnte auch an der eingesetzten Menge der mRNA liegen. Der Moderna-Impfstoff hat vor allem bei der zweiten Dosis mehr mRNA enthalten, und könnte dadurch wahrscheinlich auch etwas effizienter gewesen sein, aber eben auch mehr Nebenwirkungen gemacht haben.“
Auf die Frage, ob dies nicht darauf hindeute, dass es tatsächlich an dem neuartigem mRNA-Element liege, erklärt der Kardiologe des Basler Universitätsspitals:
„Nicht unbedingt. Mehr mRNA bedeutet mehr Virusprotein und damit auch eine stärkere Immunantwort. Wir können also noch nicht sagen, ob es die höhere Dosis mRNA oder die heftigere Reak...
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