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ClotTalk

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Stefan Ulbing, Keith Asselborn, Daniel Laxar, Vincenz Scharner & Martin Zbiral

Der Podcast rund um Gerinnung in der Anästhesie und Intensivmedizin. In einer lockeren Gesprächsrunde versuchen wir euch spannende und klinisch relevante Gerinnungsthemen näher zu bringen und unsere Leidenschaft für's Gerinnsel und die Blutung zu teilen. Der Inhalt wird gestaltet von der Arbeitsgruppe Gerinnung der Univ. Klinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der Medizinischen Universität Wien. Viel Spaß beim Zuhören!
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Top 10 ClotTalk Episodes

Goodpods has curated a list of the 10 best ClotTalk episodes, ranked by the number of listens and likes each episode have garnered from our listeners. If you are listening to ClotTalk for the first time, there's no better place to start than with one of these standout episodes. If you are a fan of the show, vote for your favorite ClotTalk episode by adding your comments to the episode page.

ClotTalk - Gerinnung in der Sepsis
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05/31/24 • 20 min

Zusammenspiel zwischen Abwehrsystem und Gerinnung

Sepsis ist definiert als lebensbedrohliche Organdysfunktion auf Basis einer dysregulierten Wirtsantwort auf eine Infektion. Der SOFA-Score definiert die Organdysfunktion (Anstieg um mind. 2 Punkte) und inkludiert Gerinnung in Form der Thrombozytenzahl.
Die Sepsis-induzierte Koagulopathie (SIC) ist ebenfalls gekennzeichnet durch eine Dysregulation eines physiologischen Systems, in diesem Fall des Gerinnungssystems, welches im Normalfall mithilft, Infektion und Inflammation zu begrenzen. Wenn diese Dysregulation nicht kontrolliert wird, kann die SIC in eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) fortschreiten.

Das Zusammenspiel (Crosstalk) der unspezifischen Abwehr (innate immunity) und der Hämostase imponiert als „Immunothrombose“. Einige Eckpunkte der Entstehung der SIC sind: Tissue Factor Expression auf Monozyten oder Mikrovesikeln im Plasma, gerinnungsaktivierende NETs (neutrophil extracellular traps) von neutrophilen Granulozyten (negativ geladen -> Kontaktaktivierung); PAMPs (pathogen-associated molecular patterns) und DAMPs (damage-associated molecular patterns), die per se gerinnungsaktivierend wirken; eine ausgeprägte Endotheliopathie mit Verlust endogener antithrombotischer Mechanismen; und ein fibrinolytischer Shutdown. All diese Aspekte sind Mitverursacher der septischen Organdysfunktion.

Zum „Reinfuchsen“ in die detaillierte Pathophysiologie zum besseren Verständnis einiger experimenteller Therapieansätze eignet sich:

• Williams B et al. Sepsis-Induced Coagulopathy: A Comprehensive Narrative Review of Pathophysiology, Clinical Presentation, Diagnosis, and Management Strategies. Anesth Analg. 2024 Apr 1;138(4):696-711. doi: 10.1213/ANE.0000000000006888.

Die SIC ist noch nicht durch klinisch sichtbare Symptome gekennzeichnet, aber oftmals sieht man im Labor Anzeichen für eine Koagulopathie: Thrombozytopenie, ein erhöhtes Fibrinogen (CAVE: Fibrinogen ist ein Akutphase-Protein und in der Inflammation normalerweise deutlich erhöht, sodass “normale”/rückläufige Werte in Abwesenheit einer anderen plausiblen Erklärung bereits den klinischen Verdacht einer SIC begründen sollten), reduzierte Antithrombin III Aktivität und erhöhtes D-Dimer. Verschiedene Scores können zur Unterstützung in der Diagnostik/Risikoabschätzung genutzt werden (Bspw. ISTH-DIC oder ISTH-SIC).

Das Wissen über die Pathophysiologie der Sepsis und SIC wächst stetig. Jedoch blieb der Erfolg neuer, und in erster Linie auf Antikoagulation ausgerichteter Therapieansätze (ATIII, APC, TFPI, Thrombomodulin) aus, wobei in bisherigen Trials relativ unselektierte Kollektive therapiert wurden.
Hier ist in den nächsten Jahren sicherlich mit spannender Forschung und Wissensgewinn zu rechnen, es müssen die Patient:innen-Kollektive, die potenziell profitieren können und ebenso der ideale Zeitpunkt der Intervention im Krankheitsprozess identifiziert werden - Stichwort Präzisionsmedizin.

Die Surviving Sepsis Campaign 2021 gibt bezüglich Gerinnungsmanagement nur wenige konkrete Empfehlungen ab: empfohlen ist eine pharmakologische Thromboseprophylaxe mit LMWH (sofern keine Kontraindikation). Weiters wird ein restriktives Transfusionsregime und eine an der Klinik orientierte, bedarfsadaptierte, gezielte Gerinnungstherapie empfohlen (analog zu anderen intensivmedizinischen Krankheitsbildern; cave: KEINE Laborkosmetik!). Somit bleibt die bis heute einzige Therapie der SIC eine konsequente und leitliniengerechte Basistherapie der Sepsis (Kreislaufstabilisierung, Antibiotika, Fokussanierung).

“It is ironic that with the massive increase in our basic understanding of the science of sepsis, and the billions of dollars spent to implement these basic science gains, it has been early recognition and the wide-spread integration of best clinical practices that has been primarily responsible for the progressive reduction of in-hospital mortality to sepsis.”

(Mira JC, Gentile LF, Mathias BJ, Efron PA, Brakenridge SC, Mohr AM, Moore FA, Moldawer LL. Sepsis Pathophysiology, Chronic Critical Illness, and Persistent Inflammation-Immunosuppression and Catabolism Syndrome. Crit Care Med. 2017 Feb;45(2):253-262. doi: 10.1097/CCM.0000000000002074. PMID: 27632674; PMCID: PMC5243156.)

Punchlines:

  • Das in der Sepsis auftretende Zusammenspiel zwischen Abwehr und Hämostase imponiert als „Immunothrombose“
  • Die SIC ist gekennzeichnet durch eine überschießende Gerinnungsantwort auf eine Infektion
  • Die SIC ist häufig klinisch diskret und kann in eine offene DIC fortschreiten
  • Auf pathophysiologischen Überlegungen und Tierexperimenten basierende Therapieansätze der SIC haben sich in den klinischen Studien bisher nicht bewährt
  • Die derzeit beste Therapie der SIC ist eine konsequente und leitliniengerechte Therapie der Sepsis

Ein weiteres praxisnahes Paper zu Koagulopath...

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Die primäre Hämostase und der Versuch sie abzubilden

Im Gegensatz zu vielen anderen Laborparametern, versuchen Thormbozytenfunktionstests einen dynamischen Prozess lebender Zellen widerzuspiegeln, was einige Herausforderungen an Labor und MedizinerInnen stellt. Viele der zur Verfügung stehenden Tests haben zudem oft Nachteile wie die Notwendigkeit hoher Expertise bei der Interpretation, lange Messdauer, hohe Fehleranfälligkeit, sowie hohe Anforderungen an die Präanalytik (z.B Blutabnahme, Hämatokrit, Thrombozytenzahl), was die klinische Interpretation deutlich erschwert.

Heutzutage stehen verschiedene Tests mit unterschiedlichen Funktionsweisen zur Verfügung. Darunter die Lichttransmissionsaggregometrie (LTA), Impedanzaggregometrie (Multiplate), PFA-100/200, VerifyNow und viele weitere. Im Gespräch mit DDr. Zipperle und Dr. Dibiasi erläutern wir einige wichtige Punkte, die bei den einzelnen Testverfahren zu beachten sind.

Punchlines der Folge:

  • Vorsicht bei Interpretation von Thrombozytenfunktionstest, es handelt sich um eine Abbildung eines komplexen, lebenden zellulären Prozesses.
  • Die angewandten Tests sind in der Regel besser geeignet zur Diagnostik einzelner Thrombzytopathien (z.B. Medikamenteneinnahme) als bei systemischen Reaktionen wie bspw. der TIC.
  • Vorsicht bei der Präanalytik wie Nikotinkarenz, ruhiges Liegen, kurze Stauung, verzögerungsfreier, schonender Transport. Einige Tests benötigen ebenfalls eine gewisse Thrombozytenzahl und/oder Hämatokrit.
  • Beurteilung der Tests immer im Gesamtbild und dem klinischen Hintergrund.
  • Neue Thrombozytenfunktionstests werden viel erforscht, um die Brücke zwischen Labor und klinischer Entscheidungsfindung weiter zu schließen.

Europäische Trauma Guideline:

Recommendation 12 We recommend that the routine use of POC platelet function devices for platelet function monitoring in trauma patients on antiplatelet therapy or with suspected platelet dysfunction be avoided.

Homepage AG Gerinnung

Angaben und Empfehlungen hinsichtlich klinischer Handlungen und Maßnahmen, sowie über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten, müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung, übernehmen die Ersteller dieses Podcasts keinerlei Haftung für inhaltliche Fehler. Dieser Podcast ersetzt keine medizinischen Lehrbücher, Leitlinien, Fachinformationen oder eine ausführliche Literaturrecherche.

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ClotTalk - Management der peripartalen Blutung
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03/27/24 • 33 min

Ursache, Diagnostik und Management der PPH

Ögari Empfehlung

S2K Leitlinie

Die PPH ist definiert als ein Blutverlust von ≥ 500 ml nach vaginaler Geburt und ≥ 1000 ml nach Sectio caesarea. Unabhängig vom gemessenen Blutverlust muss bei klinischen Zeichen eines hämorrhagischen Schocks von einer PPH ausgegangen werden. Während der Schwangerschaft verändert sich das Gerinnungssystem im Sinne eines prokoagulatorischen Shifts, um die Mutter vor einer bedrohlichen Blutung zu schützen. Dies zeigt sich in Veränderungen der primären Hämostase, der plasmatischen Gerinnung und auch der Fibrinolyse. Während Atonie und Plazenta-Reste die häufigste Ursache für Blutungskomplikationen sind, kann zusätzlich eine nach der Geburt einsetzende Fibrinolyse die prokoagulatorische Gerinnungslage verändern und bei überschießender Reaktion zu einer Hyperfibrinolyse kurz nach der Geburt führen.

Die Ursachen der PPH werden in 4Ts unterteilt, um diese rasch abarbeiten zu können. Tonus – Uterusatonie (häufigste Ursache mit ca. 80%) Tissue – fetales/plazentares Gewebe an falscher Stelle Trauma – Gewebsverletzung Thrombin – Gerinnungsstörung

Medikamente:

Oxytocin 3-5 IE als Kurzinfusion in 100ml NaCl & 40 IE in 30 min im Perfusor (Cave: Tachyphylaxie).

Sulproston in deeskalierender Gabe über Infusomat/Perfusor (Schema siehe Ögari Empfehlung). Nicht gemeinsam mit Oxytocin.

Tranexamsäure 1-2g (vor Fibrinogengabe).

Fibrinogen 2g initial, weitere Gaben nach Viskoelastik (z.B. ROTEM A5Fib>12mm).

Keine blinde Gabe von PPSB. Ggf. Reevaluation bei anhaltender Blutung mittels Viskoelastik (z.B. ROTEM EXTEM CT >80s trotz normaler MCF).

Keine blinde Gabe von Faktor XIII. Erwäge 20 IE/kgKG (wenn FXIII Aktivität < 60%) bei anhaltender Blutung.

Verwendung von FFP bei Blutverlust über 100% Körperblutvolumen.

DDAVP (Desmopressin) nur nach Abnabelung und nach TXA Gabe. Das von Von-Willebrand-Syndrom spielt aufgrund der präpartal stattfindenden prokoagulatorischen Gerinnnungsveränderungen üblicherweise für die PPH keine relevante Rolle.

Rekombinanter FVIIa wurde rezent zur Therapie einer PPH zugelassen, sollte jedoch weiterhin ausschließlich nach Erfüllung aller Voraussetzungen/Rahmenbedingungen zur Anwendung kommen (siehe ÖGARI Empfehlung).

Punchlines:

  • Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit ist essenziell für das Management der PPH.
  • Die hämostaseologischen Rahmenbedingungen müssen frühestmöglich sichergestellt werden.
  • Die Blutungsursache muss anhand der 4Ts erkannt und entsprechend behandelt werden.

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Absetzen, Bridgen, Substituieren

Ein Absetzen der oralen Antikoagulation (OAK) ist nicht immer zwingend notwendig, vor allem bei Eingriffen mit minimalem Blutungsrisiko. Bei Unterbrechung soll das Pausenintervall so kurz wie möglich sein. (Siehe ÖGARI Empfehlung Bridging) Zu beachten ist dabei, dass die Eliminationskinetik der verschiedenen Antikoagulanzien von mehreren Faktoren (z.B. Nierenfunktion, Patientenalter, Co-Medikation) abhängig ist.

Perioperatives Bridging sollen nur mehr in Hochrisikosituationen, wie etwa mechanischer Mitralklappe, mechanischer Aortenklappe mit zusätzlichem Risikofaktor, VHF + CHADS2≥ 5 etc. (siehe ÖGARI Empfehlung) durchgeführt werden. Grundsätzlich wird für NOAK kein Bridging empfohlen. Bridging für VKA wird mit LMWH in therapeutischer Dosis durchgeführt und 24h vor OP gestoppt (Ziel Anti-Xa-Aktivität bei LMWH Bridging und eingeschränkter Nierenfunktion: 0.5-1.0 IU/ml

Während bei elektiven Eingriffen abgewartet werden, bis die empfohlene Anzahl der Halbwertszeiten (in der Regel fünf) abgelaufen ist, steht bei Notfalleingriffen die Korrektur im Vordergrund. Im Fall einer Blutung unter OAK muss ebenfalls der Schweregrad beurteilt werden. Die Korrektur der Antikoagulation wird im Falle der VKA mit Prothrombinkomplexkonzenetrat (PPSB) abhängig vom INR durchgeführt. (Siehe ÖGARI Empfehlung Blutungsmanagement) Bei Apixaban und Rivaroxaban steht Andexanet Alfa als Antidot zur Verfügung, bei Dabigatran Idracizumab (CAVE Dosis 2 x 2.5 g (Versprecher im Podcast!!). Alternativ kann PPSB bei NOAK angewendet werden. Die Gabe von FFP eignet sich NICHT zur Korrektur!

Die postoperative Thromboseprophylaxe soll frühestmöglich - unter Berücksichtigung von Thrombose- UND Blutungsrisiko - durchgeführt werden. Die therapeutische Antikoagulation soll möglichst 24-72h nach OP wiederaufgenommen werden.

Wichtige Punchlines der Folge:

  • Pause von VKA/NOAK bei erhöhtem Blutungsrisiko. Bridging nur bei hohem Thromboembolierisiko.
  • Bei einer Blutung unter oraler Antikoagulation soll stufenweise vorgegangen werden: lokale Blutstillung vor systemischer Korrektur.
  • Denke an den postoperativen Wiederbeginn der Gerinnungshemmung.

ÖGARI Empfehlung Bridging

ÖGARI Empfehlung Blutungsmanagement

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ClotTalk - Gerinnung beim Trauma Teil 2
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01/20/24 • 41 min

How to treat TIC? Ein Fokus auf therapeutische Konzepte, deren Hintergründe und klinische Implikationen.

In Anlehnung an die Idee der sogenannten damage control surgery - das chirurgische Herangehen an die Behandlung Schwerstverletzter - wurde aus dem primär militärischen Setting auch das Konzept der damage control resuscitation in die zivile Notfallmedizin übernommen. Restriktives Volumenmanagement, permissive Hypotension, Normothermie sowie frühe und aggressive hämostatische Therapie bilden die vier Säulen dieses Therapiekonzeptes. Anhand einiger wesentlichen Studien und Leitlinien befasst sich diese Episode mit diagnostischen und therapeutischen Aspekten der TIC: Was genau bedeutet permissive Hypotension im Individualfall? Welches hämostatisches Potential hat rekonstituiertes Vollblut? Gibt es Evidenz für das Mitführen und den präklinischen Einsatz von Blutprodukten bzw. Gerinnungsfaktorenkonzentraten?

Dies ist die zweite Folge in der wir mit Priv.-Doz. Dr. Schöchl über die Gerinnung beim Trauma sprechen. Wir empfehlen, sich zuerst die erste Folge zu diesem Thema anzuhören, da wir dort viel über die Pathophysiologie und den Hintergrund der Trauma-induzierten Koagulopathie sprechen.

S3 Leitlinie Polytrauma

European Trauma Guideline

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ClotTalk - Gerinnung beim Trauma Teil 1
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11/30/23 • 29 min

Thrombozyten, Glykokalyx, Fibrinogen und viele weitere Mitspieler in einem komplexen System zwischen Blutung und Gerinnsel.

Die trauma-induzierte Koagulopathie (trauma-induced coagulopathy, TIC) beschreibt einen multifaktoriell bedingten, abnormalen Gerinnungsprozess, der sich innerhalb weniger Minuten nach einem (schweren) Trauma und im Rahmen von massiven Blutungen entwickeln kann. Klassischerweise wurde die TIC anhand der „lethal triad“ (Azidose, Hypothermie und Koagulopathie) beschrieben. Es sind jedoch noch weitere Mechanismen an der Entstehung der TIC beteiligt – das Endothel mitsamt seiner Glykokalyx, das Protein-C System, Plättchen, Pro- und Antikoagulantien und das fibrinolytische System. Schock und Gewebeschaden sind die wichtigsten Treiber der TIC und aggravieren die Koagulopathie. Der Verbrauch und der gesteigerte Abbau des Fibrinogens bzw. des Fibrins (Hyperfibrinolyse) stellt einen weiteren, zentralen Pathomechanismus dar. Die exakten hämostaseologischen Veränderungen im Rahmen einer TIC sind interindividuell von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich und können sich darüber hinaus auch im Verlauf des Traumas ändern, sodass von verschiedenen Phänotypen der TIC gesprochen wird. Klinisch lassen sich dementsprechend im Rahmen einer TIC biphasisch sowohl Blutungs- als auch thrombotische Ereignisse beobachten.

Übersichtspaper:

Moore EE, Moore HB, Kornblith LZ, Neal MD, Hoffman M, Mutch NJ, Schöchl H, Hunt BJ, Sauaia A. Trauma-induced coagulopathy. Nat Rev Dis Primers. 2021 Apr 29;7(1):30. doi: 10.1038/s41572-021-00264-3. Erratum in: Nat Rev Dis Primers. 2022 Apr 22;8(1):25. PMID: 33927200; PMCID: PMC9107773.

Zellbasiertes Modell:

Hoffman M, Monroe DM 3rd. A cell-based model of hemostasis. Thromb Haemost. 2001 Jun;85(6):958-65. PMID: 11434702. https://doi.org/10.1055/s-0037-1615947

Erwähnte Studien:

  • Bouzat, Pierre, et al. “Efficacy and Safety of Early Administration of 4-Factor Prothrombin Complex Concentrate in Patients With Trauma at Risk of Massive Transfusion: The PROCOAG Randomized Clinical Trial.” JAMA, vol. 329, no. 16, Apr. 2023, p. 1367, https://doi.org/10.1001/jama.2023.4080.
  • Dunbar, Nancy M., and Wayne L. Chandler. “TRANSFUSION PRACTICE: Thrombin Generation in Trauma Patients.” Transfusion, vol. 49, no. 12, 2009, pp. 2652–60, https://doi.org/10.1111/j.1537-2995.2009.02335.x. Floccard, Bernard, et al. “Early Coagulopathy in Trauma Patients: An on-Scene and Hospital Admission Study.” Injury, vol. 43, no. 1, 2012, pp. 26–32, https://doi.org/10.1016/j.injury.2010.11.003.
  • Johansson, Pär I., et al. “A High Admission Syndecan-1 Level, A Marker of Endothelial Glycocalyx Degradation, Is Associated With Inflammation, Protein C Depletion, Fibrinolysis, and Increased Mortality in Trauma Patients.” Annals of Surgery, vol. 254, no. 2, 2011, pp. 194–200, https://doi.org/10.1097/SLA.0b013e318226113d.
  • Liras, Ioannis N., et al. “Prevalence and Impact of Admission Hyperfibrinolysis in Severely Injured Pediatric Trauma Patients.” Surgery, vol. 158, no. 3, 2015, pp. 812–18, https://doi.org/10.1016/j.surg.2015.05.004.
  • McQuilten, Zoe K., et al. “Fibrinogen Is an Independent Predictor of Mortality in Major Trauma Patients: A Five-Year Statewide Cohort Study.” Injury, vol. 48, no. 5, 2017, pp. 1074–81, https://doi.org/10.1016/j.injury.2016.11.021.
  • Moore, Ernest E., et al. “Trauma-Induced Coagulopathy.” Nature Reviews Disease Primers, vol. 7, no. 1, Apr. 2021, p. 30, https://doi.org/10.1038/s41572-021-00264-3.
  • Moore, Hunter B., et al. “Hyperfibrinolysis, Physiologic Fibrinolysis, and Fibrinolysis Shutdown: The Spectrum of Postinjury Fibrinolysis and Relevance to Antifibrinolytic Therapy.” Journal of Trauma and Acute Care Surgery, vol. 77, no. 6, 2014, pp. 811–17, https://doi.org/10.1097/TA.0000000000000341.
  • Moore, Hunter B, et al. “Plasma-First Resuscitation to Treat Haemorrhagic Shock during Emergency Ground Transportation in an Urban Area: A Randomised Trial.” The Lancet, vol. 392, no. 10144, 2018, pp. 283–91, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31553-8.
  • Pommer, Peter, et al. “Multiplate Platelet Function Testing upon Emergency Room Admission Fails to Provide Useful Information in Major Trauma Patients Not on Platelet Inhibitors.” Journal of Clinical Medici...
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ClotTalk - Tranexamsäure
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10/10/23 • 19 min

Der heilige Gral der Gerinnung?

Die Tranexamsäure (TXA) ist ein antifibrinolytisches Medikament, das in der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin meist intravenös verabreicht wird. TXA bindet an Plasminogen und verhindert dadurch die Umwandlung in Plasmin und damit den Abbau von Fibrin. TXA wurde unter anderem in großen Studien aus dem Bereich Trauma (CRASH-2, CRASH-3, PATCH) und Geburtshilfe (WOMAN) untersucht. In CRASH-2 und WOMAN zeigte sich eine signifikant reduzierte Mortalität bei einer frühzeitigen Gabe von TXA (d.h. innerhalb von 3 h). Im POISE 3 Trial wurde die Verabreichung von Tranexamsäure auch bei elektiven nicht-kardiochirurgischen Operationen untersucht; hier verringerte TXA die Inzidenz von schweren Blutungen. Anders sieht es bei gastrointestinalen Blutungen aus: Im HALT-IT Trial konnte gezeigt werden, dass TXA nicht zu einer verringerten Mortalität führte, aber stattdessen mit einer erhöhten Thromboserate assoziiert war.

Punchlines:

  • Tranexamsäure wurde 2011 in die „WHO Model List of Essential Medicines“ zur Therapie beim (massiv) blutenden Patienten aufgenommen.
  • Die frühzeitige Gabe von Tranexamsäure ist essentiell.
  • TXA ist prinzipiell ein sicheres Medikament, aber auch nicht ohne Nebenwirkungen.

Studien:

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ClotTalk - Prokoagulatorische Medikamente
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07/30/23 • 17 min

Die Pfeile bei einer intraoperativen Blutung

In dieser Folge besprechen wir gängige Medikamente, die im Rahmen einer klinisch relevanten Blutung therapeutisch eingesetzt werden können.

Calciumgluconat, Calciumchlorid:

  • WM: Ca2+ = physiologischer Kofaktor der Gerinnung; bewirkt gemeinsam mit Phospholipiden die Aktivierung von Gerinnungsfaktoren
  • Ind: Abfall des ionisierten Ca2+ < 0.9 mmol/L
  • Dos: z.B. Calciumgluconat 10-20 ml

Natriumbicarbonat 8.4%, TRIS-Puffer:

  • Ind: Abfall des pH-Wertes < 7.2
  • Dos: z.B. Natriumbicarbonat 50-100 ml

Tranexamsäure:

  • WM: Hemmung der physiologischen, fibrinolytischen Wirkung von Plasmin
  • Ind: Hyperfibrinolyse (bzw. deren Prävention bei Massivblutung)
  • Dos: z.B. 20-25 mg/kg KG als Bolus + weitere 20-25mg/kg KG über 8 h (Faustregel für Erwachsene: 1g im Bolus + 1g über 8h)

Fibrinogenkonzentrat:

  • WM: Substrat zur Fibrinbildung
  • Ind: VET basiert, Initialdosis bei Polytrauma auch ohne vorherige VET
  • Dos: z.B. Fibrinogenkonzentrat 3-4 g

Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB):

  • WM: Enthält alle Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (Faktor II, VII, XI und X) sowie Protein C, Protein S, Heparin*
  • Ind: Verbrauchskoagulopathie, Antagonisierung oraler Antikoagulantien
  • Dos: z.B. 25-50 IE/kg KG

Faktor XIII Konzentrat:

  • WM: Stabilisierung des Clots durch Quervernetzung von Fibrin und Thrombozyten
  • Ind: Faktor XIII Aktivität < 30%; bei anhaltender Blutung Gabe ggf. ohne vorherige Labordiagnostik wenn diese nicht verfügbar
  • Dos: z.B. Faktor XIII 30 IE/kg KG

Rekombinanter Faktor VIIa (rFVIIa):

  • WM: Die (unphysiologisch) hohe FVIIa Konzentration bewirkt eine zusätzliche, direkte Aktivierung von FX (unter Umgehung von FVIIIa und FIXa); so werden schnell große Mengen an Thrombin generiert („Thrombin-Burst“). Physiologischer Weg: TF Freisetzung im Rahmen einer Endothelverletzung → Aktivierung des FVII → Aktivierung von FVIII + FIX → FX Aktivierung → Thrombingenerierung
  • Ind: Reservemedikament, „ultima ratio“ bei lebensbedrohlichen Blutungen
  • Dos: z.B. 60-90 μg/kg KG

Desmopressin:

  • WM: synthetisches Derivat des körpereigenen antidiuretischen Hormons Vasopressin, Nebeneffekt: Freisetzung von vWF
  • Ind: vWF Syndrom
  • Dos: z.B. 0,3 μg/kg KG

WM = Wirkmechanismus; Ind = Indikation; Dos = Dosierung VET = viskoelastischer Test; vWF = Von Willebrand Faktor; KG = Körpergewicht

*Anmerkung: bei Heparin-induzierter Thrombozytopenie (HIT) ausschließlich heparinfreies Präparat einsetzen!

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ClotTalk - Viskoelastometrie Teil 2
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05/30/23 • 16 min

Die Anästhesie-Spinne und das Vorgehen bei einer intraoperativen Blutung

Initial ist wichtig, sich systematisch einen Überblick über die Situation (Patient:in stabil/instabil, Zugänge, Blutprodukte vorhanden?) und sich ggf. zusätzliche Hilfe zu holen. Ebenso soll engmaschig mit den chirurgischen Partner:innen kommuniziert werden: ist die Blutungsquelle lokalisiert? Ist mit einer raschen Blutstillung zur rechnen?

Wie bei jeder Blutungssituation ist es essenziell, auf die Rahmenbedingungen der Gerinnung zu achten und diese ggf. zu optimieren: der pH-Wert soll ausgeglichen sein (ggf. Puffern), das ionisierte Ca2+ soll zumindest 0.9 mmol/L betragen und die Körpertemperatur soll im Normbereich sein.

Die Durchführung viskoelastischer Tests ist bei gerinnungskompetenten Patient:innen meistens nicht sofort notwendig. Dauert die Blutung an, sind ein extrinsischer Test und ein Test zur Evaluierung der Fibrinogenaktivität (zB.: EXTEM + FIBTEM bei Anwendung von ROTEM, ExTest und FibTest bei Anwendung von ClotPro) als initiale Tests fast immer ausreichend. Die Ergebnisse können schon nach wenigen Minuten interpretiert werden, da die Amplituden nach 5 und 10 Minuten (A5 bzw. A10) sehr eng mit der MCF korrelieren. Die Tests sollten nach jeder therapeutischen Maßnahme (z.B. Fibrinogengabe) wiederholt werden, um den Therapierfolg zu kontrollieren. Nach erfolgreicher Blutstillung kann man eine nochmalige ROTEM Kontrolle durchführen, bei nicht-blutenden Patient:innen soll dann aber keine mehr Therapie erfolgen!

Zu den therapeutischen Maßnahmen bei akuterBlutung zählen die initiale Gabe von Tranexamsäure und - bei verminderter A10 im FIBTEM - die Gabe von Fibrinogenkonzentrat (cave: Reihenfolge einhalten – zuerst Antifibrinolytikum, dann Fibrinogenkonzentrat). Bei verlängerter CT im extrinischen Testansatz (zB.: EXTEM) kann die Gabe von Prothrombinkomplexkonzentrat erfolgen (dies ist bei der intraoperativen Blutung aber nur selten notwendig). Für die Gabe eines Thrombozytenkonzentrates spricht eine erniedrigte MCF im EXTEM bei normaler FIBTEM-MCF.

Für spezifische Algorithmen und diagnostische/therapeutische Schwellenwerte sind unbedingt hauseigene Empfehlungen heranzuziehen.

Punchlines der Folge zum Vorgehen bei der akuten intraoperativen Blutung:

  • Überblick, Hilfe holen
  • Kommunikation
  • Rahmenbedingungen der Gerinnung (pH, Ca2+, Temperatur)
  • Viskoelastische Tests
  • Therapie: initial Tranexamsäure , dann Fibrinogen (Prothrombinkomplexkonzentrate sind nur selten notwendig)
  • Viskoelastisch (zB ROTEM, ClotPro) gesteuerte Therapie
  • Befundinterpretation immer als Kombination mehrerer Testansätze (zB bei ROTEM gesteuerter Therapie: EXTEM + FIBTEM, für ClotPro: ExTest+FibTest)
  • Hausinterne SOPs beachten

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ClotTalk - Viskoelastometrie Teil 1
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04/05/23 • 19 min

Point-of-Care Diagnostik, die jeder kennen sollte

Die Viskoelastometrie (z.B. mit ROTEM oder ClotPro) ist eine Methode, mit der die Festigkeit einer gerinnenden Blutprobe gemessen wird. Sie spielt insbesondere bei akut blutenden Patient:innen eine Rolle, um die Ursache einer Koagulopathie festzustellen und dann auch zielgerichtet zu therapieren. Ergebnisse der Viskoelastometrie liegen schneller vor als die Ergebnisse von konventionellen Gerinnungstests wie z.B. aPTT oder PTZ. Darüber hinaus werden mit ROTEM/ClotPro nicht nur Gerinnungszeiten gemessen, sondern auch die Qualität des Blutgerinnsels, also die Festigkeit, kann beurteilt werden. Die Viskoelastometriekurve kann zum einen grafisch beurteilt werden, die diversen Geräte berechnen aber auch verschiedene numerische Parameter, wie z.B. die Clotting Time (CT), Clot Formation Time, A5, A10, Maximum Clot Firmness (MCF) und Clot Lysis Indices. Wichtig sind vor allem die Clotting Time, welche in ihrer Aussage in etwa den konventionellen Gerinnungsparametern entspricht. Eine CT-Verlängerung spiegelt dementsprechend Faktorenmängel wieder. Die Amplituden (A5, A10, MCF) geben vor allem eine Aussage über Thrombozytenzahl und/oder Fibrinogenkonzentration (je nach Test).

ROTEM/ClotPro Kurve (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Thrombelastometrie_ROTEM.svg)

Punchlines der Folge:

  • Viskoelastometrie unterstützt die Diagnose und zielgerichtete Therapie von Gerinnungsstörungen bei akuter, klinisch relevanter (!) Blutung.
  • Die Ergebnisse sind schneller verfügbar als die konventioneller Gerinnungstests.
  • Sie treffen eine Aussage über die Dauer bis zur Clotbildung und geben zusätzlich Informationen über die Clotqualität und –stabilität. Cave: viskoelastische Tests eignen sich NICHT zur Bestimmung der Thrombozytenfunktion! (hierfür gibt es differenzierte Tests, u.a. auch als Point-of-Care Verfahren).
  • Die Messmethode und Bezeichnung der einzelnen Testkanäle / -parameter variieren je nach Hersteller - die Referenzwerte und Therapiealgorithmen sind nicht austausch- / übertragbar! In der klinischen Praxis empfiehlt es sich daher, Therapiestandards entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zu definieren.

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