
Folge 66 - Under der linden (Walther von der Vogelweide)
02/04/23 • 21 min
Walther von der Vogelweide ist fraglos der bekannteste deutsche Minnesänger und wenn in der Schule bereits ein Text von ihm gelesen wird, dann am ehesten wohl das 'Lindenlied'. Doch warum eigentlich? Was zeichnet diesen Text aus, dass er sich als kanonisch etablieren konnte?
Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse):
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0256/image,info
Under der linden
Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
Dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich empfangen,
hêre frouwe,
daz ich bin saelic iemer mê.
Kuster mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.
Dô het er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
Des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
Bî den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.
Daz er bî mir laege,
wessez iemen
(nu enwelle got!), sô schamt ich mich.
Wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz, wan er und ich.
Und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.
Walther von der Vogelweide ist fraglos der bekannteste deutsche Minnesänger und wenn in der Schule bereits ein Text von ihm gelesen wird, dann am ehesten wohl das 'Lindenlied'. Doch warum eigentlich? Was zeichnet diesen Text aus, dass er sich als kanonisch etablieren konnte?
Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse):
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0256/image,info
Under der linden
Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
Dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich empfangen,
hêre frouwe,
daz ich bin saelic iemer mê.
Kuster mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.
Dô het er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
Des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
Bî den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.
Daz er bî mir laege,
wessez iemen
(nu enwelle got!), sô schamt ich mich.
Wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz, wan er und ich.
Und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.
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geburtsanzeige
wenn dieses bündel auf die welt geworfen wird
die windeln sind noch nicht einmal gesäumt
der pfarrer nimmt das trinkgeld eh ers tauft
doch seine träume sind längst ausgeträumt
es ist verraten und verkauft
wenn es die zange noch am schädel packt
verzehrt der arzt bereits das huhn das es bezahlt
der händler zieht die tratte und es trieft
von tinte und von blut der stempel prahlt
es ist verzettelt und verbrieft
wenn es im süßlichen gestank der klinik plärrt
beziffern die strategen schon den tag
der musterung des mords der scharlatan
drückt seinen daumen unter den vertrag
es ist versichert und vertan
noch wiegt es wenig häßlich rot und zart
wieviel es netto abwirft welcher richtsatz gilt
was man es lehrt und was man ihm verbirgt
die zukunft ist vergriffen und gedrillt
es ist verworfen und verwirkt
wenn es mit krummer hand die luft noch fremd begreift
steht fest was es bezahlt für milch und telefon
der gastarif wenn es im grauen bett erstickt
und für das weib das es dann wäscht der lohn
es ist verbucht verhängt verstrickt
wenn nicht das bündel das da jault und greint
die grube überhäuft den groll vertreibt
was wir ihm zugerichtet kalt zerrauft
mit unerhörter schrift die schiere zeit beschreibt
ist es verraten und verkauft.
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