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Lyrikschule - Folge 52 - Die Welt unser Traum (Hermann Hesse) ***mit Gast***

Folge 52 - Die Welt unser Traum (Hermann Hesse) ***mit Gast***

05/20/22 • 33 min

Lyrikschule

Gibt es eine Welt außerhalb unseres Geistes - oder ist vielmehr jeder Einzelne der Schöpfer seines eigenen Universums, seiner eigenen Realität. Diesen Gedanken hat Hermann Hesse kunstfertig in Verse gebannt. Mit meinem Gast für diese Folge, Jan-Henrik Flecke, spreche ich über die Deutungsmöglichkeiten dieses philosophisch-lyrischen Textes. Gerade für Jugendliche enthält er spannende Botschaften, ist aber eigentlich in jedem Alter mit Gewinn zu lesen. Genau das zeichnet große Literatur aus.

Hermann Hesse

Die Welt unser Traum

Nachts im Traum die Städt‘ und Leute,

Ungeheuer, Luftgebäude,

Alle, weißt du, alle steigen

Aus der Seele dunklem Raum,

Sind dein Bild und Werk, dein eigen,

Sind dein Traum.

Geh am Tag durch Stadt und Gassen,

Schau in Wolken, in Gesichter,

Und du wirst verwundert fassen:

Sie sind dein, du bist ihr Dichter!

Alles, was vor deinen Sinnen

Hundertfältig lebt und gaukelt,

Ist ja dein, ist in dir innen,

Traum, den deine Seele schaukelt.

Durch dich selber ewig schreitend,

Bald beschränkend dich, bald weitend,

Bist du Redner und Hörer,

Bist du Schöpfer und Zerstörer.

Zauberkräfte, längst vergeßne,

Spinnen heiligen Betrug,

Und die Welt, die unermeßne,

Lebt von deinem Atemzug.

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Gibt es eine Welt außerhalb unseres Geistes - oder ist vielmehr jeder Einzelne der Schöpfer seines eigenen Universums, seiner eigenen Realität. Diesen Gedanken hat Hermann Hesse kunstfertig in Verse gebannt. Mit meinem Gast für diese Folge, Jan-Henrik Flecke, spreche ich über die Deutungsmöglichkeiten dieses philosophisch-lyrischen Textes. Gerade für Jugendliche enthält er spannende Botschaften, ist aber eigentlich in jedem Alter mit Gewinn zu lesen. Genau das zeichnet große Literatur aus.

Hermann Hesse

Die Welt unser Traum

Nachts im Traum die Städt‘ und Leute,

Ungeheuer, Luftgebäude,

Alle, weißt du, alle steigen

Aus der Seele dunklem Raum,

Sind dein Bild und Werk, dein eigen,

Sind dein Traum.

Geh am Tag durch Stadt und Gassen,

Schau in Wolken, in Gesichter,

Und du wirst verwundert fassen:

Sie sind dein, du bist ihr Dichter!

Alles, was vor deinen Sinnen

Hundertfältig lebt und gaukelt,

Ist ja dein, ist in dir innen,

Traum, den deine Seele schaukelt.

Durch dich selber ewig schreitend,

Bald beschränkend dich, bald weitend,

Bist du Redner und Hörer,

Bist du Schöpfer und Zerstörer.

Zauberkräfte, längst vergeßne,

Spinnen heiligen Betrug,

Und die Welt, die unermeßne,

Lebt von deinem Atemzug.

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undefined - Folge 51 - Abitur 2022 - Der Luftschiffer (Karoline von Günderrode)

Folge 51 - Abitur 2022 - Der Luftschiffer (Karoline von Günderrode)

Im Abitur 2022 wurde dieser Text nebst einer Vergleichsaufgabe zu Hoffmanns "goldenem Topf" im Leistungskurs geprüft. Wir erschließen die inhaltlichen und formalen Spezifika des Gedichts und außerdem lernen wir noch das ein oder andere über die Ballonfahrt!

Der Luftschiffer

Gefahren bin ich in schwankendem Kahne

Auf dem blaulichen Oceane,

Der die leuchtenden Sterne umfließt,

Habe die himmlischen Mächte begrüßt.

War, in ihrer Betrachtung versunken,

Habe den ewigen Aether getrunken,

Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,

Droben die Schriften der Sterne erkannt

Und in ihrem Kreisen und Drehen

Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen,

Der gewaltig auch jeglichen Klang

Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang.

Aber ach! es ziehet mich hernieder,

Nebel überschleiert meinen Blick,

Und der Erde Grenzen seh' ich wieder,

Wolken treiben mich zurück.

Wehe! Das Gesetz der Schwere

Es behauptet nur sein Recht,

Keiner darf sich ihm entziehen

Von dem irdischen Geschlecht.

Interessantes zur Ballonfahrt:

https://www.planet-wissen.de/technik/luftfahrt/ballons/index.html

Nächste Episode

undefined - Folge 53 - Ironisierung der Romantik (Heinrich Heine)

Folge 53 - Ironisierung der Romantik (Heinrich Heine)

Der Umbruch von einer Epoche zur nächsten ist selten so gut zu beobachten wie in Heines ironisch-romantischen Gedichten. Die Literatur der 'Kunstperiode' wird damit begraben. Ihr folgt eine kurze aber intensive Zeit politischer Lyrik, zu deren Vordenkern Heine gehört.

Das Fräulein stand am Meere

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.

Die schlesischen Weber

Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!
Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!

Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergeßne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Fraun, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbeigeschwommen
Manches alte Zauberschloß;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentroß.

Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt -
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.

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