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Zeig Mal! Kunst für alle. - Was ist... Chiaroscuro?

Was ist... Chiaroscuro?

03/12/24 • 6 min

Zeig Mal! Kunst für alle.

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Wo Licht ist, da ist auch Schatten - manchmal auch sehr viel Schatten. Keine Sorge, wir sprechen hier nicht von Sünden, Lastern und Heimlichkeiten, sondern immer noch über Kunst. “Chiaroscuro”, eine Zusammensetzung aus “Chiaro”, hell oder klar, und “scuro”, dunkel, finster, bezeichnet in der Malerei eine insbesondere im Barock wirkungsvoll eingesetzte extrem übersteigerte Wirkung von Licht und Schatten, um eine emotional dramatische und bewegende Bildatmosphäre zu erzeugen.

Dass sich mit starkem Kontrast von Hell und Dunkel dramatische Bildstimmungen erzeugen lassen, das haben bereits im alten Griechenland Künstler wie Apollodor von Athen erkannt, der mit schraffierten Schatten Körpervolumen andeutete. Mit dem Wiedererstarken der Malerei in der Protorenaissance lassen sich dann in Werken wie "Die Geburt Christi" von Giotto di Bondone im 14. Jahrhundert wieder erste klare Ansätze gezielter Raum- und Körpergestaltung mit Licht und Schatten erkennen.

Vor allem aber in der Hochrenaissance intensivierte sich die Auseinandersetzung mit den sich bietenden Darstellungsmöglichkeiten von Körperlichkeit und Raumtiefe. Die Entwicklung der Zentralperspektive unter anderem durch Masaccio gab den Künstlern die Möglichkeit, durch raumlogische Konstruktion die Illusion von Tiefe und realistischer Proportion auf einer ebenen Malfläche zu erzeugen.

Die Künstler der Zeit waren dabei aber nicht nur von der mimetischen Wiedergabe der mit den Augen wahrnehmbaren Raum- und Lichteffekte, sondern insbesondere von deren Auswirkung auf die narrativ-emotionale Dramatik der Bilder fasziniert. Da Vinci verlieh seinen Figuren Körpervolumen, indem er in seinen Zeichnungen zunächst auf farbigem Papier die dunklen Töne setzte, und sich dann zu den helleren Tönen vorarbeitete. Einzelne Lichtakzente fügte er meist mit weißer Gouache oder heller Kreide hinzu. Systematisch entwickelte er den Einsatz von Schlag- und Binnenschatten weiter.

Ein wesentlicher Faktor auf dem Weg hin zu gesteigerter Plastizität und Raumwirkung in der Malerei war die Entwicklung der Ölfarbe. Vor der Renaissance war die schnelltrocknende Temperafarbe, gebunden mit Ei oder Kasein, das beliebteste Malmedium. Aufgrund seiner kurzen Trocknungszeit ist es allerdings recht schwierig, sanfte Farbverläufe zu erzielen. Darüber hinaus eignet sich Tempera aufgrund der hohen Deckkraft nicht für eine Arbeit in lasierenden Schichten.

Ölfarbe aber, die als Bindemittel z.B. Leinöl verwendet, bindet wesentlich langsamer ab. Dieser Umstand sowie die Transparenz der Farben ermöglichen es, Farbschichten so dünn übereinander aufzutragen, dass tiefer liegende Farbschichten durch die Lagen bis zur Oberfläche durchschimmern. So wurde es möglich, schrittweise komplexe Farbtöne von großer Farb-, Licht- und Schattentiefe aufzubauen. Das so entstehende Spiel mit Hell und Dunkel wurde schnell als die geeignete Technik zur Modellierung von Plastizität erkannt und hat maßgeblich dazu beigetragen, die Lebendigkeit und den Naturalismusgrad von Gemälden zu steigern. Nicht nur die äußere Erscheinung von Objekten und Figuren, sondern auch ihre innere Struktur und Volumen wurden nun klar herausgearbeitet und betont. So verschmelzen zum Beispiel in den Portraits da Vincis oder Giorgiones die abgebildeten Figuren mit der sie umgebenden Dunkelheit und treten zugleich deutlich aus ihr hervor.

Künstler wie Tintoretto oder George de la Tour nutzen die neuen Möglichkeiten aber auch für weitergehende Effekte und inszenierten in ihren Gemälden scharfe, unnatürlich übersteigerte Hell-Dunkel-Kontraste. Dazu organisieren sie ihre Kompositionen gezielt um die Beleuchtungsquelle herum: der Einsatz und Platzierung der Figuren auf bildnerischer Ebene und Verteilung von Licht und Schatten sind untrennbar miteinander verknüpft, orientieren sich aneinander. Der so entstehende, starke Kontrast erzeugt die dramatischen Effekte des oft zur Theatralik neigenden Barock und distanziert sich so von den rational-linearen Kompositionen der Frührenaissance, in denen das Licht zumeist gleichmäßig im Bild eingestreut wird.

Caravaggio - neben anderen - intensiviert das Spiel mit Licht und Schatten hin zu einer als “Tenebrismus” (von ital. “tenebroso”, finster) bezeichneten, die Bildspannung noch weiter steigernden radikalen Spielart des Chiaroscuro. So soll der Eindruck der Intimität dramatischer Begegnungen, das Gefühl eindringlicher psychologischer Komplexität geschaffen werden, in denen die Figuren oftmals aus einem tiefen Dunkel ins Licht treten. In seinem Gemälde "Die Berufung des Matthäus" betont der in die dramatische Szene fallende scharfe Lichtstrahl gezielt die Hauptfigur. Der den Kopf des besiegten Goliaths haltende, in weichen Tönen und mit sanften Farbübergängen gemalte David erstrahlt einem hellen, von der linken Seite des Bildes auf ihn fallend...

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Wo Licht ist, da ist auch Schatten - manchmal auch sehr viel Schatten. Keine Sorge, wir sprechen hier nicht von Sünden, Lastern und Heimlichkeiten, sondern immer noch über Kunst. “Chiaroscuro”, eine Zusammensetzung aus “Chiaro”, hell oder klar, und “scuro”, dunkel, finster, bezeichnet in der Malerei eine insbesondere im Barock wirkungsvoll eingesetzte extrem übersteigerte Wirkung von Licht und Schatten, um eine emotional dramatische und bewegende Bildatmosphäre zu erzeugen.

Dass sich mit starkem Kontrast von Hell und Dunkel dramatische Bildstimmungen erzeugen lassen, das haben bereits im alten Griechenland Künstler wie Apollodor von Athen erkannt, der mit schraffierten Schatten Körpervolumen andeutete. Mit dem Wiedererstarken der Malerei in der Protorenaissance lassen sich dann in Werken wie "Die Geburt Christi" von Giotto di Bondone im 14. Jahrhundert wieder erste klare Ansätze gezielter Raum- und Körpergestaltung mit Licht und Schatten erkennen.

Vor allem aber in der Hochrenaissance intensivierte sich die Auseinandersetzung mit den sich bietenden Darstellungsmöglichkeiten von Körperlichkeit und Raumtiefe. Die Entwicklung der Zentralperspektive unter anderem durch Masaccio gab den Künstlern die Möglichkeit, durch raumlogische Konstruktion die Illusion von Tiefe und realistischer Proportion auf einer ebenen Malfläche zu erzeugen.

Die Künstler der Zeit waren dabei aber nicht nur von der mimetischen Wiedergabe der mit den Augen wahrnehmbaren Raum- und Lichteffekte, sondern insbesondere von deren Auswirkung auf die narrativ-emotionale Dramatik der Bilder fasziniert. Da Vinci verlieh seinen Figuren Körpervolumen, indem er in seinen Zeichnungen zunächst auf farbigem Papier die dunklen Töne setzte, und sich dann zu den helleren Tönen vorarbeitete. Einzelne Lichtakzente fügte er meist mit weißer Gouache oder heller Kreide hinzu. Systematisch entwickelte er den Einsatz von Schlag- und Binnenschatten weiter.

Ein wesentlicher Faktor auf dem Weg hin zu gesteigerter Plastizität und Raumwirkung in der Malerei war die Entwicklung der Ölfarbe. Vor der Renaissance war die schnelltrocknende Temperafarbe, gebunden mit Ei oder Kasein, das beliebteste Malmedium. Aufgrund seiner kurzen Trocknungszeit ist es allerdings recht schwierig, sanfte Farbverläufe zu erzielen. Darüber hinaus eignet sich Tempera aufgrund der hohen Deckkraft nicht für eine Arbeit in lasierenden Schichten.

Ölfarbe aber, die als Bindemittel z.B. Leinöl verwendet, bindet wesentlich langsamer ab. Dieser Umstand sowie die Transparenz der Farben ermöglichen es, Farbschichten so dünn übereinander aufzutragen, dass tiefer liegende Farbschichten durch die Lagen bis zur Oberfläche durchschimmern. So wurde es möglich, schrittweise komplexe Farbtöne von großer Farb-, Licht- und Schattentiefe aufzubauen. Das so entstehende Spiel mit Hell und Dunkel wurde schnell als die geeignete Technik zur Modellierung von Plastizität erkannt und hat maßgeblich dazu beigetragen, die Lebendigkeit und den Naturalismusgrad von Gemälden zu steigern. Nicht nur die äußere Erscheinung von Objekten und Figuren, sondern auch ihre innere Struktur und Volumen wurden nun klar herausgearbeitet und betont. So verschmelzen zum Beispiel in den Portraits da Vincis oder Giorgiones die abgebildeten Figuren mit der sie umgebenden Dunkelheit und treten zugleich deutlich aus ihr hervor.

Künstler wie Tintoretto oder George de la Tour nutzen die neuen Möglichkeiten aber auch für weitergehende Effekte und inszenierten in ihren Gemälden scharfe, unnatürlich übersteigerte Hell-Dunkel-Kontraste. Dazu organisieren sie ihre Kompositionen gezielt um die Beleuchtungsquelle herum: der Einsatz und Platzierung der Figuren auf bildnerischer Ebene und Verteilung von Licht und Schatten sind untrennbar miteinander verknüpft, orientieren sich aneinander. Der so entstehende, starke Kontrast erzeugt die dramatischen Effekte des oft zur Theatralik neigenden Barock und distanziert sich so von den rational-linearen Kompositionen der Frührenaissance, in denen das Licht zumeist gleichmäßig im Bild eingestreut wird.

Caravaggio - neben anderen - intensiviert das Spiel mit Licht und Schatten hin zu einer als “Tenebrismus” (von ital. “tenebroso”, finster) bezeichneten, die Bildspannung noch weiter steigernden radikalen Spielart des Chiaroscuro. So soll der Eindruck der Intimität dramatischer Begegnungen, das Gefühl eindringlicher psychologischer Komplexität geschaffen werden, in denen die Figuren oftmals aus einem tiefen Dunkel ins Licht treten. In seinem Gemälde "Die Berufung des Matthäus" betont der in die dramatische Szene fallende scharfe Lichtstrahl gezielt die Hauptfigur. Der den Kopf des besiegten Goliaths haltende, in weichen Tönen und mit sanften Farbübergängen gemalte David erstrahlt einem hellen, von der linken Seite des Bildes auf ihn fallend...

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Die Vedute, wörtlich im italienischen ‘veduta’, “Ansicht” oder “Aussicht”, liefert wirklichkeitsgetreue detaillierte Darstellungen urbaner Räume, ob als Stadtpanorama mit Fluss, Kanal oder Platz oder aber als Blick auf oder in eine bestimmte Straße oder mit Fokus auf ein bestimmtes Bauwerk. Prominentes Beispiel für die Vedutenmalerei ist die Arbeit des venezianischen Künstlers Giovanni Antonio Canal, genannt “Canaletto”. Er war bekannt für seine präzisen Darstellungen von Venedig, insbesondere für seine Panoramablicke auf die Kanäle, Plätze und Gebäude der Stadt. Sie bestechen durch ihre fast fotorealistisch genaue und detailreiche Darstellung. Seine Veduten vermitteln nicht nur eine überzeugende, beinahe dokumentarische Darstellung der Architektur, sondern sind darüber hinaus auch geprägt von einer lichten Atmosphäre und freundlich-positiven Stimmung der gezeigten Orte. ========= Literaturempfehlungen: - Raimund Herz: "Canaletto malt Dresden: Kulturhistorischer Stadtführer durch das barocke Dresden von 1766" - Bozena Anna Kowalczyk: "Bellotto and Canaletto: Wonder and Light"

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