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Sternengeschichten - Sternengeschichten Folge 621: Blaneten, die um schwarze Löcher kreisen

Sternengeschichten Folge 621: Blaneten, die um schwarze Löcher kreisen

10/18/24 • 10 min

Sternengeschichten
Nein, kein Tippfehler. Es geht um Blaneten

Sternengeschichten Folge 621: Blaneten, die um schwarze Löcher kreisen

Keine Sorge, da ist kein Tippfehler im Titel dieser Folge und nochmal keine Sorge, ich habe auch keine Probleme damit, das Wort "Planet" richtig auszusprechen. Denn in dieser Folge geht es nicht Planeten, sondern um "Blaneten", mit einem weichen B wie "Brauner Zwerg" oder "Balkenspiralgalaxie" am Anfang. Ich werde mich sehr bemühen, in dieser Folge deutlich zu sprechen, damit klar ist, ob ich gerade von einem Planeten oder Blaneten spreche. Aber, und das ist eine durchaus relevante Frage, was soll das eigentlich?

Was soll ein "Blanet" sein und warum denkt man sich dafür ein Wort aus, das fast so wie ein anderes Wort klingt? Das ist doch verwirrend... Ja, ist es und die Astronomie ist leider gerne mal verwirrend, wenn es um ihre Begriffe geht. Wir haben planetarische Nebel, die nix mit Planeten zu tun haben, wir messen die Helligkeit von Sternen mit Magnituden, aber je mehr Magnituden ein Stern hat, desto schwächer leuchtet er, der Morgenstern ist kein Stern, und so weiter. Ein "Blanet" hat aber durchaus etwas mit "Planeten" zu tun und bevor es noch weiter verwirrend bleibt, lese ich vielleicht den Titel der Facharbeit vor, in der dieser Begriff das erste Mal auftaucht. Das war im Jahr 2021, als die japanischen Astronomen Keiichi Wada, Yusuke Tsukamoto, und Eiichiro Kokubo einen Aufsatz geschrieben haben, der folgenden Titel trägt: "Formation of 'Blanets' from Dust Grains around the Supermassive Black Holes in Galaxies". Auf deutsch heißt das soviel wie "Entstehung von 'Blaneten' aus Staubkörnern rund um supermassereiche schwarze Löcher in Galaxien". Ein "Blanet" ist also ein Planet eines schwarzen Lochs, ein "black hole planet" oder eben kurz "Blanet".

Es ist eine komische Idee. Planetenähnliche Himmelskörper, die bei einem schwarzen Loch entstehen? Die Idee ist aber nur so lange komisch, wie man nicht weiter darüber nachdenkt. Und ich fange gleich mal damit an, das erste Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Ich habe das in früheren Folgen schon gesagt, aber sage es jetzt nochmal: Ein schwarzes Loch ist kein Staubsauger. Die Dinger saugen nicht gnadenlos alles ein; es ist absolut möglich, dass ein anderer Himmelskörper ein schwarzes Loch auf einer stabilen Umlaufbahn umkreist. Schwarze Löcher sind ja auch nur Ansammlungen von Masse im Universum, die eine Gravitationskraft ausüben und die man, so wie alle anderen Ansammlungen von Masse, auch umkreisen kann. Das einzige außergewöhnliche an ihnen ist ihre Kompaktheit; man kann ihnen so nahe kommen, dass die Anziehungskraft so enorm stark wird, dass man schneller als das Licht sein müsste, um sich wieder zu entfernen. Wenn man ihnen aber nicht sooo nahe kommt und quasi einen Sicherheitsabstand einhält, wird man auch nicht angesaugt.

Aber das ist es nicht, worum es bei den "Blaneten" geht. Die drei japanischen Forscher haben sich damals folgendes überlegt: Wir wissen, wie Planeten entstehen. Nämlich in sogenannten protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Nachdem ein Stern entstanden ist, ist er noch von jeder Menge Staub und Gas umgeben und das Zeug in dieser Staub- und Gasscheibe kann sich im Laufe der Zeit zusammenballen, so dass größere Objekte wie eben Planeten entstehen. In Wahrheit ist der Vorgang natürlich sehr, sehr viel komplizierter und die Astronomie ist immer noch dabei, die Details der Planetenentstehung zu verstehen. Aber das Grundprinzip ist klar und wir haben nicht nur die Planeten unseres eigenen Sonnensystems als Beispiel, sondern auch schon tausende Planeten bei anderen Sternen gefunden und können bei anderen, jüngeren Sternen sogar die protoplanetaren Scheiben und in seltenen Fällen auch die in Entstehung begriffenen Planeten sehen.

Aber, so haben sich die japanischen Astronomen überlegt, die protoplanetaren Scheiben sind nicht die einzigen Orte im Universum, wo diese Bedingungen für die Entstehung von Planeten existieren. Es gibt auch die "zirkumnuklearen Scheiben". Die findet man im Zentrum von großen Galaxien, rund um deren supermassereichen schwarzen Löcher. Ich habe in den vergangen Folgen der Sternengeschichten ja schon öfter darüber geredet: Wir wissen, dass alle großen Galaxien in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch haben, das ein paar Millionen bis ein paar Milliarden mal so viel Masse wie die Sonne hat. Wir wissen zwar immer noch nicht genau, wie diese Objekte entstehen, haben sie aber einwandfrei nachgewiesen und in einigen Fällen sogar fotografiert. Beziehungsweise: Wir haben nicht das schwarze Loch selbst fotografiert; das geht ja per Definition nicht. Aber in der Umgebung der schwarzen Löcher gibt es jede Menge Gas und Staub, das da rund herum wirbelt und dadurch aufgeheizt wird. Das Zeug leuchtet dadurch hell und ist sichtbar, bis auf den zentralen Bereich, wo das schwarze Loch ist. Fotografiert haben wir diesen dunklen Schatten vor der hell leuchtenden S...

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Nein, kein Tippfehler. Es geht um Blaneten

Sternengeschichten Folge 621: Blaneten, die um schwarze Löcher kreisen

Keine Sorge, da ist kein Tippfehler im Titel dieser Folge und nochmal keine Sorge, ich habe auch keine Probleme damit, das Wort "Planet" richtig auszusprechen. Denn in dieser Folge geht es nicht Planeten, sondern um "Blaneten", mit einem weichen B wie "Brauner Zwerg" oder "Balkenspiralgalaxie" am Anfang. Ich werde mich sehr bemühen, in dieser Folge deutlich zu sprechen, damit klar ist, ob ich gerade von einem Planeten oder Blaneten spreche. Aber, und das ist eine durchaus relevante Frage, was soll das eigentlich?

Was soll ein "Blanet" sein und warum denkt man sich dafür ein Wort aus, das fast so wie ein anderes Wort klingt? Das ist doch verwirrend... Ja, ist es und die Astronomie ist leider gerne mal verwirrend, wenn es um ihre Begriffe geht. Wir haben planetarische Nebel, die nix mit Planeten zu tun haben, wir messen die Helligkeit von Sternen mit Magnituden, aber je mehr Magnituden ein Stern hat, desto schwächer leuchtet er, der Morgenstern ist kein Stern, und so weiter. Ein "Blanet" hat aber durchaus etwas mit "Planeten" zu tun und bevor es noch weiter verwirrend bleibt, lese ich vielleicht den Titel der Facharbeit vor, in der dieser Begriff das erste Mal auftaucht. Das war im Jahr 2021, als die japanischen Astronomen Keiichi Wada, Yusuke Tsukamoto, und Eiichiro Kokubo einen Aufsatz geschrieben haben, der folgenden Titel trägt: "Formation of 'Blanets' from Dust Grains around the Supermassive Black Holes in Galaxies". Auf deutsch heißt das soviel wie "Entstehung von 'Blaneten' aus Staubkörnern rund um supermassereiche schwarze Löcher in Galaxien". Ein "Blanet" ist also ein Planet eines schwarzen Lochs, ein "black hole planet" oder eben kurz "Blanet".

Es ist eine komische Idee. Planetenähnliche Himmelskörper, die bei einem schwarzen Loch entstehen? Die Idee ist aber nur so lange komisch, wie man nicht weiter darüber nachdenkt. Und ich fange gleich mal damit an, das erste Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Ich habe das in früheren Folgen schon gesagt, aber sage es jetzt nochmal: Ein schwarzes Loch ist kein Staubsauger. Die Dinger saugen nicht gnadenlos alles ein; es ist absolut möglich, dass ein anderer Himmelskörper ein schwarzes Loch auf einer stabilen Umlaufbahn umkreist. Schwarze Löcher sind ja auch nur Ansammlungen von Masse im Universum, die eine Gravitationskraft ausüben und die man, so wie alle anderen Ansammlungen von Masse, auch umkreisen kann. Das einzige außergewöhnliche an ihnen ist ihre Kompaktheit; man kann ihnen so nahe kommen, dass die Anziehungskraft so enorm stark wird, dass man schneller als das Licht sein müsste, um sich wieder zu entfernen. Wenn man ihnen aber nicht sooo nahe kommt und quasi einen Sicherheitsabstand einhält, wird man auch nicht angesaugt.

Aber das ist es nicht, worum es bei den "Blaneten" geht. Die drei japanischen Forscher haben sich damals folgendes überlegt: Wir wissen, wie Planeten entstehen. Nämlich in sogenannten protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Nachdem ein Stern entstanden ist, ist er noch von jeder Menge Staub und Gas umgeben und das Zeug in dieser Staub- und Gasscheibe kann sich im Laufe der Zeit zusammenballen, so dass größere Objekte wie eben Planeten entstehen. In Wahrheit ist der Vorgang natürlich sehr, sehr viel komplizierter und die Astronomie ist immer noch dabei, die Details der Planetenentstehung zu verstehen. Aber das Grundprinzip ist klar und wir haben nicht nur die Planeten unseres eigenen Sonnensystems als Beispiel, sondern auch schon tausende Planeten bei anderen Sternen gefunden und können bei anderen, jüngeren Sternen sogar die protoplanetaren Scheiben und in seltenen Fällen auch die in Entstehung begriffenen Planeten sehen.

Aber, so haben sich die japanischen Astronomen überlegt, die protoplanetaren Scheiben sind nicht die einzigen Orte im Universum, wo diese Bedingungen für die Entstehung von Planeten existieren. Es gibt auch die "zirkumnuklearen Scheiben". Die findet man im Zentrum von großen Galaxien, rund um deren supermassereichen schwarzen Löcher. Ich habe in den vergangen Folgen der Sternengeschichten ja schon öfter darüber geredet: Wir wissen, dass alle großen Galaxien in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch haben, das ein paar Millionen bis ein paar Milliarden mal so viel Masse wie die Sonne hat. Wir wissen zwar immer noch nicht genau, wie diese Objekte entstehen, haben sie aber einwandfrei nachgewiesen und in einigen Fällen sogar fotografiert. Beziehungsweise: Wir haben nicht das schwarze Loch selbst fotografiert; das geht ja per Definition nicht. Aber in der Umgebung der schwarzen Löcher gibt es jede Menge Gas und Staub, das da rund herum wirbelt und dadurch aufgeheizt wird. Das Zeug leuchtet dadurch hell und ist sichtbar, bis auf den zentralen Bereich, wo das schwarze Loch ist. Fotografiert haben wir diesen dunklen Schatten vor der hell leuchtenden S...

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undefined - Sternengeschichten Folge 620: Die Zone of Avoidance

Sternengeschichten Folge 620: Die Zone of Avoidance

Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen

Sternengeschichten Folge 620: Die Zone of Avoidance

In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um die Zone of Avoidance. Auf deutsch heißt das "Die Zone der Vermeidung" und das klingt ein klein wenig beunruhigend und auch ein bisschen wie Science Fiction. So wie die "Neutrale Zone" in Star Trek, wo man mit dem Raumschiff nicht reinfliegen darf oder die "Zone" in den Büchern von Arkadi und Boris Strugazki. Wir bekommen es aber heute nicht mit Science Fiction zu tun, sondern mit reiner Astronomie und beunruhigend ist die Zone der Vermeidung auch nur dann, wenn man den Himmel beobachten möchte.

Um was es dabei geht, hat das erste Mal der englische Astronom Richard Proctor in seinem Buch "The Universe of Stars" aus dem Jahr 1878 aufgeschrieben. Darin findet man eine großformatige Abbildung, die die Verteilung der "Nebel" zeigt. Im späten 19. Jahrhundert wusste man ja immer noch nicht, worum es sich bei diesen Gebilden handelt, die man mit einem starken Teleskop sehen konnte. Manche hielte sie für große, nebelartige Wolken, die sich zwischen den Sternen befanden. Andere waren der Meinung, dass es sich um riesige, unvorstellbar weit entfernte Ansammlungen von Sternen handelt, und unsere Milchstraße auch so ein Gebilde, eine Galaxie, ist. Aber eben nur eine von vielen. Die Frage wurde erst in den 1920er Jahren endgültig geklärt und ich habe davon schon in anderen Folgen der Sternengeschichten gesprochen. Damals jedenfalls konnte man nicht viel mehr machen, als möglichst viele dieser Nebel zu beobachten und zu kartografieren. Genau das hat unter anderem der Astronom John Herschel gemacht und dessen Daten hat Richard Proctor verwendet, um das entsprechende Bild in seinem populärwissenschaftlichen Buch über das Universum zu erstellen. Dabei ist ihm aufgefallen, dass es da einen Bereich am Himmel zu geben scheint, in dem weniger dieser Nebel zu finden sind als anderswo und deswegen trägt die Abbildung auch den Titel "The zone of few nebulae". Diese "Zone der wenigen Nebel" wurde in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer ausgeprägter; je mehr Nebel man beobachtete, desto klarer wurde es, dass es einen Bereich gibt, in dem sie nicht zu sehen sind.

1961 hat der amerikanische Astronom Harlow Shapley probiert, diese Zone auch klar zu definieren. Shapley war übrigens früher einer der prominentesten Vertreter derjenigen, die davon ausgegangen sind, dass es im Universum nur unsere Milchstraße gibt und die Nebel alle nur kleinere Wolken innerhalb der Milchstraße sind. Aber egal, das war früher und jetzt hat Shapley die aktuellsten Daten der damaligen Zeit untersucht und festgestellt, dass man demnach am Himmel typischerweise 54 Galaxien pro Quadratgrad finden kann. "Quadratgrad" ist eine etwas komische Einheit, aber in der Astronomie sehr gebräuchlich und entspricht einer Fläche am Himmel, die ungefähr so groß ist wie fünf Vollmonde. Also: 54 Galaxien pro Quadratgrad, im Durchschnitt. Aber es gibt einen Bereich, bei dem es deutlich weniger sind, nämlich weniger als 5 Galaxien pro Quadratgrad. Genau das ist die "Zone of Avoidance" und sie heißt deswegen so, weil es eben eine Zone ist, die von der Astronomie bei ihrer Arbeit vermieden wird, denn da gibt es zu wenig zu sehen, um sinnvolle Forschung zu treiben.

Und nachdem wir das jetzt geklärt habe, sollten wir vielleicht mal nachsehen, wo diese Zone denn eigentlich ist. Wer sich schon ein bisschen mit Astronomie beschäftigt hat, wird vermutlich schon eine bestimmte Idee haben. Und wenn diese Idee mit der Milchstraße zu tun hat, dann ist sie richtig! Die Zone of Avoidance findet man um den galaktischen Äquator der Milchstraße herum. Wenn wir uns die Milchstraße als große Scheibe voller Sterne vorstellen - was sie in erster Näherung ja auch ist - dann ist der galaktische Äquator die Linie, die um die Scheibe herum läuft. Vom Sonnensystem aus, das sich ja in den äußeren Bereichen der galaktischen Scheibe befindet, können wir entweder in den galaktischen Norden oder Süden, also quasi nach oben und unten aus der Scheibe raus schauen. Oder nach "hinten", dorthin, wo die Scheibe der Milchstraße bald aus ist und deutlich weniger Sterne zu finden sind als wenn wir in die andere Richtung blicken, mitten ins Herz der galaktischen Scheibe hinein. Da ist alles voll mit Sternen und das ist auch genau das, was wir am Nachthimmel als wolkig-weißes Band der Milchstraße sehen können (sofern es dunkel genug ist). Und genau da dort befindet sich die "Zone of Avoidance" und damit ist auch klar, warum sie überhaupt existiert.

In der Milchstraße gibt es ja nicht nur Sterne, sondern auch jede Menge Gas und Staub, in kosmischen Wolken, die sich im interstellaren Raum befinden. Wenn wir in Richtung der galaktischen Scheibe schauen, dann sehen wir dort nicht nur sehr viel mehr Sterne als anderswo, sondern blicken auch auf und durch sehr viel mehr Gas und Staub. All das absorbiert einen Tei...

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undefined - Sternengeschichten Folge 622: Gisela Weiss - Österreichs erste Astronomin

Sternengeschichten Folge 622: Gisela Weiss - Österreichs erste Astronomin

Die unbekannte Erste

Sternengeschichten Folge 622: Gisela Weiss - Österreichs erste Astronomin

Es ist immer spannend, wenn man sich die ersten Menschen ansieht, die etwas geschafft haben, was vor ihnen keine andere Person geschafft hat. Sehr oft lernt man dabei eine faszinierende Persönlichkeit kennen. Und man erfährt auch immer etwas über die Zeit, in der die Geschichte stattgefunden hat, denn es hat ja meistens Gründe, warum etwas früher nicht möglich war und dann auf einmal schon. Aber leider gibt es viele dieser ersten Male, über die wir nichts wissen und viele, über die viel zu wenig wissen. Die Geschichte von Gisela Weiss ist so ein Fall.

Was wir wissen ist: Gisela Weiss ist die erste Frau, die in Österreich eine Promotion im Fach Astronomie abgeschlossen hat. Sie hat also eine Doktorarbeit verfasst und dafür auch eigenständige wissenschaftliche Forschungsarbeit geleistet. Man kann sie also durchaus als die erste österreichische Astronomin bezeichnen. Aber natürlich muss man in diesem Fall auch berücksichtigen, dass es auch davor auch schon Frauen gegeben hat, die sich mit der Astronomie beschäftigt haben und die Geschichte der Astronomie deutlich älter ist, als ein Land wie Österreich. Über diese Probleme der historischen Einordnung habe ich ja schon in Folge 463 erzählt, als es um Waltraut Seitter ging, die erste Professorin für Astronomie in Deutschland.

Aber lassen wir das mal beiseite und beschäftigen uns mit Gisela Weiss. Sie wurde am 14. Juli 1891 in Wien geboren. Ihr Vater war Leo Weiß, der ursprünglich aus Galizien stammte, also der Gegend, die heute den Süden von Polen und den Westen der Ukraine ausmacht und damals Teil des Kaisertums Österreich war. Leo Weiß hat westlich von Wien, in Klosterneuburg, mehrere Firmen gegründet, die Holz und Metall verarbeitet haben. Über die Kindheit seiner Tochter Gisela ist wenig bekannt. Sie hat ein Mädchenobergymnasium in Wien besucht, über das sich aber heute nichts mehr herausfinden lässt; vielleicht, weil es keine öffentliche Schule war. Eine allgemeine Schulpflicht auch für Mädchen bis zum 12. Lebensjahr hat es in Österreich schon gegeben, seit sie 1774 unter Kaiserin Maria Theresia eingeführt worden ist, eine höhere Bildung zu erlangen war aber immer noch nicht selbstverständlich. Immerhin: Ab dem Jahr 1878 durften auch Frauen die Matura ablegen, also das, was in Deutschland "Abitur" genannt wird und im Prinzip die Berechtigung für ein Studium an einer Universität darstellt. Und ich sage deswegen "im Prinzip" weil Frauen in Österreich zwar die Matura ablegen konnten, sie dann aber trotzdem nicht studieren durften. Das fanden aber immer mehr Menschen ungerecht und nicht nur die Frauen selbst. Ein Mitglied des damaligen Abgeordnetenhauses hat im Jahr 1895 festgestellt: "Von allen Staaten der Erde stehen heute nur noch Österreich und Deutschland auf dem Standpunkte, daß sie der weiblichen Jugend das Universitätsstudium verwehren wollen ... Dort, wo es sich um einen humanitären und wissenschaftlichen Fortschritt handelt, kommen wir immer zuletzt." Trotzdem war der Kampf um Gleichberechtigung zäh. Ab 1896 wurde es zum Beispiel zwar erlaubt, dass Frauen, die im Ausland ein Doktorat in Medizin hatten, das auch in Österreich anerkennen lassen konnten. Aber sie mussten dafür trotzdem ihre Abschlussprüfung ein weiteres Mal ablegen und dazu nachweisen, dass sie ein "moralisch einwandfreies Vorleben" hatten - was Männer übrigens alles nicht tun mussten. 1897 durften dann aber endlich auch Österreicherinnen mit ihrer Matura ein Studium beginnen. Natürlich war damit noch immer nicht alles geschafft; manche Professoren haben sich geweigert, vor einem Publikum aus Männern und Frauen zu unterrichten; Frauen durften nicht alle Vorlesungen besuchen oder alle Disziplinen studieren. Aber obwohl dieses Thema sehr interessant und wichtig ist, schauen wir jetzt wieder zurück zu Gisela Weiss.

Sie legte ihre Matura im Jahr 1912 am Gymnasium Rahlgasse in Wien ab; darüber gibt es noch Aufzeichnungen. Danach begann sie ein Studium an der Universität Wien in den Fächern Mathematik, Physik und Astronomie. Es wäre schön zu wissen, warum sie sich dafür entschieden hat. Aber diese Information existiert leider nicht. Wir wissen nur, dass sie dabei nicht unerfolgreich gewesen sein kann. Denn im Jahr 1917 konnte sie ihre Doktorarbeit in Astronomie abschließen. Wer sich ein bisschen mit der Geschichte der Wiener Universitätssternwarte beschäftigt hat, wird leicht erraten können, wovon sie handelt. Damaliger Direktor der Sternwarte war Josef von Hepperger, Vizedirektor war Johann Palisa und Palisa war einer der wichtigsten damaligen Forscher auf dem Gebiet der Kleinplaneten, also den Himmelskörpern, die wir heute "Asteroiden" nennen. Palisa hat 121 davon entdeckt; er hat sich mit der Bestimmung ihrer Bahnen beschäftigt und Kataloge erstellt, mit denen man Asteroiden leichter finden kann. Die Geschichte der Universitätssternwarte Wien wä...

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