
Sternengeschichten Folge 568: Schnellläufer auf der Flucht aus der Galaxis
10/13/23 • 9 min
Sternengeschichten Folge 568: Schnellläufer auf der Flucht aus der Galaxis
In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um Schnellläufer. Aber wir werden natürlich nicht über Sport reden, sondern über Sterne. Mit dem etwas veralteten Wort "Schnellläufer" bezeichnet man Sterne, die sich sehr schnell bewegen. Und bevor wir anfangen können uns damit zu beschäftigen, müssen wir erstmal klären, was wir mit der Bewegung von Sternen eigentlich meinen. Es geht nicht um die scheinbare Bewegung der Sterne die wir im Lauf einer Nacht am Himmel beobachten können. Die sehen wir ja nur, weil die Erde sich um ihre Achse dreht; die Sterne selbst haben mit dieser Bewegung nichts zu tun. Sie bewegen sich aber und zwar annähernd kreisförmig um das Zentrum unserer Milchstraße. Das darf man sich nicht so vorstellen wie die Planeten, die sich auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen; so regelmäßig ist die Bewegung der Sterne nicht. Im Gegensatz zum Sonnensystem ist der Großteil der Masse der Milchstraße ja nicht im Zentrum zu finden. Dort ist zwar ein sehr massereiches schwarzes Loch, dass circa vier Millionen mal mehr Masse hat als ein typischer Stern. Aber es gibt eben auch ein paar hundert Milliarden Sterne in der Milchstraße und dazwischen jede Menge kosmisches Gas, Staub und so weiter. Ein Stern spürt auf seinem Weg durch die Milchstraße also auch die Anziehungskräfte all dieser anderen Objekte sehr deutlich und seine Bahn ist daher tendenziell komplex und chaotisch, aber in erster Näherung bewegt er sich um das Zentrum der Milchstraße. Unsere Sonne braucht für eine Runde circa 200 Millionen Jahre, aber wenn ich von "schnellen Sternen" spreche, dann meine ich auch nicht unbedingt diese Art der Bewegung. Je nachdem, ob ein Stern näher am Zentrum ist oder weiter weg, bewegt er sich schneller oder langsamer rundherum; die Schnelligkeit der Schnellläufer hat aber nichts damit zu tun.
Es geht um Sterne, die sich prinzipiell sehr schnell durch den Raum bewegen, unabhängig davon, ob sie nahe am Zentrum sind oder nicht. Und was bedeutet nun "schnell" in diesem Zusammenhang? Grob gesagt eine Geschwindigkeit die um 65 bis 100 Kilometer pro Sekunde schneller ist als die Geschwindigkeit, mit der sich die Sterne in der Umgebung bewegen. Ein Beispiel dafür ist Barnards Pfeilstern, von dem ich in Folge 150 mehr erzählt habe. Er bewegt sich in Bezug auf das Sonnensystem mit 140 Kilometer pro Sekunde und das ist schon ziemlich schnell. Wir wollen uns heute aber mit RICHTIG schnellen Sternen beschäftigen, die deswegen auch "hypervelocity stars" also "Hypergeschwindigkeitssterne" genannt werden. In Bezug auf das Zentrum der Milchstraße bewegen sich typische Sterne mit Geschwindigkeiten von ein paar 100 Kilometer pro Sekunde; die Sonne zum Beispiel mit gut 220 Kilometer pro Sekunde. Es gibt aber Sterne, die sich mit mehr als 1000 Kilometer pro Sekunde bewegen und genau um die soll es heute gehen.
Dass es solche Sterne geben könnte, hat der amerikanische Astronom Jack Hills 1988 in einem Fachartikel erstmals vermutet. Seine Idee: Die Mehrheit der Sterne zieht nicht allein durch die Milchstraße sondern tut das als Teil eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems. In den späten 1980er Jahren hat man schon sehr stark vermutet, dass sich im Zentrum der Milchstraße und den Zentren aller großen Galaxien enorm massereiche schwarze Löcher befinden, wie ich ja in Folge 455 ausführlich erzählt habe. Man war sich nicht absolut sicher, aber WENN da so ein Loch ist, dann kann es passieren, dass ein Doppelsternsystem auf seinem Weg durch die Galaxie in die Nähe dieses Lochs gelangt. Und dann wirkt die Gezeitenkraft: Auf den Stern, der dem schwarzen Loch näher ist, wirkt eine sehr viel stärkere Gravitationskraft als auf den, der ein Stückchen weiter weg ist. Das Paar wird auseinander gerissen, der nähere der beiden wird vom schwarzen Loch quasi eingefangen wird und beginnt, es zu umkreisen. Der andere Stern verliert dann plötzlich seinen Partner und wird hinaus ins All geschleudert. Das ist ein bisschen so wie beim Hammerwerfen: Zuerst drehen sich Mensch und Hammer gemeinsam im Kreis, aber sobald der Hammer losgelassen wird, saust er mit hoher Geschwindigkeit davon. Hill hat das alles durchgerechnet und kam zu dem Schluss, dass - je nach Masse des schwarzen Lochs - Sterne mit bis zu 4000 Kilometer pro Sekunde davon rasen könnten. Und würde man solche hypervelocity stars finden, dann wäre das ein ziemlich guter Beleg dafür, dass da wirklich ein supermassereiches schwarzes Loch im Zentrum unserer Galaxie sitzt.
Im Jahr 2005 hat man - belegt durch sehr viele andere Beobachtungsdaten - schon längst keinen Zweifel mehr an der Existenz der supermassereichen schwarzen Löcher gehabt. Aber Jack Hills Vorhersage ist dennoch eingetreten: Warren Brown, Margaret Geller, Scott Kenyon und Michael Kurtz entdeckten einen Stern, der sich in Bezug auf das Zentrum der Milchstraße mit 853 Kil...
Sternengeschichten Folge 568: Schnellläufer auf der Flucht aus der Galaxis
In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um Schnellläufer. Aber wir werden natürlich nicht über Sport reden, sondern über Sterne. Mit dem etwas veralteten Wort "Schnellläufer" bezeichnet man Sterne, die sich sehr schnell bewegen. Und bevor wir anfangen können uns damit zu beschäftigen, müssen wir erstmal klären, was wir mit der Bewegung von Sternen eigentlich meinen. Es geht nicht um die scheinbare Bewegung der Sterne die wir im Lauf einer Nacht am Himmel beobachten können. Die sehen wir ja nur, weil die Erde sich um ihre Achse dreht; die Sterne selbst haben mit dieser Bewegung nichts zu tun. Sie bewegen sich aber und zwar annähernd kreisförmig um das Zentrum unserer Milchstraße. Das darf man sich nicht so vorstellen wie die Planeten, die sich auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen; so regelmäßig ist die Bewegung der Sterne nicht. Im Gegensatz zum Sonnensystem ist der Großteil der Masse der Milchstraße ja nicht im Zentrum zu finden. Dort ist zwar ein sehr massereiches schwarzes Loch, dass circa vier Millionen mal mehr Masse hat als ein typischer Stern. Aber es gibt eben auch ein paar hundert Milliarden Sterne in der Milchstraße und dazwischen jede Menge kosmisches Gas, Staub und so weiter. Ein Stern spürt auf seinem Weg durch die Milchstraße also auch die Anziehungskräfte all dieser anderen Objekte sehr deutlich und seine Bahn ist daher tendenziell komplex und chaotisch, aber in erster Näherung bewegt er sich um das Zentrum der Milchstraße. Unsere Sonne braucht für eine Runde circa 200 Millionen Jahre, aber wenn ich von "schnellen Sternen" spreche, dann meine ich auch nicht unbedingt diese Art der Bewegung. Je nachdem, ob ein Stern näher am Zentrum ist oder weiter weg, bewegt er sich schneller oder langsamer rundherum; die Schnelligkeit der Schnellläufer hat aber nichts damit zu tun.
Es geht um Sterne, die sich prinzipiell sehr schnell durch den Raum bewegen, unabhängig davon, ob sie nahe am Zentrum sind oder nicht. Und was bedeutet nun "schnell" in diesem Zusammenhang? Grob gesagt eine Geschwindigkeit die um 65 bis 100 Kilometer pro Sekunde schneller ist als die Geschwindigkeit, mit der sich die Sterne in der Umgebung bewegen. Ein Beispiel dafür ist Barnards Pfeilstern, von dem ich in Folge 150 mehr erzählt habe. Er bewegt sich in Bezug auf das Sonnensystem mit 140 Kilometer pro Sekunde und das ist schon ziemlich schnell. Wir wollen uns heute aber mit RICHTIG schnellen Sternen beschäftigen, die deswegen auch "hypervelocity stars" also "Hypergeschwindigkeitssterne" genannt werden. In Bezug auf das Zentrum der Milchstraße bewegen sich typische Sterne mit Geschwindigkeiten von ein paar 100 Kilometer pro Sekunde; die Sonne zum Beispiel mit gut 220 Kilometer pro Sekunde. Es gibt aber Sterne, die sich mit mehr als 1000 Kilometer pro Sekunde bewegen und genau um die soll es heute gehen.
Dass es solche Sterne geben könnte, hat der amerikanische Astronom Jack Hills 1988 in einem Fachartikel erstmals vermutet. Seine Idee: Die Mehrheit der Sterne zieht nicht allein durch die Milchstraße sondern tut das als Teil eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems. In den späten 1980er Jahren hat man schon sehr stark vermutet, dass sich im Zentrum der Milchstraße und den Zentren aller großen Galaxien enorm massereiche schwarze Löcher befinden, wie ich ja in Folge 455 ausführlich erzählt habe. Man war sich nicht absolut sicher, aber WENN da so ein Loch ist, dann kann es passieren, dass ein Doppelsternsystem auf seinem Weg durch die Galaxie in die Nähe dieses Lochs gelangt. Und dann wirkt die Gezeitenkraft: Auf den Stern, der dem schwarzen Loch näher ist, wirkt eine sehr viel stärkere Gravitationskraft als auf den, der ein Stückchen weiter weg ist. Das Paar wird auseinander gerissen, der nähere der beiden wird vom schwarzen Loch quasi eingefangen wird und beginnt, es zu umkreisen. Der andere Stern verliert dann plötzlich seinen Partner und wird hinaus ins All geschleudert. Das ist ein bisschen so wie beim Hammerwerfen: Zuerst drehen sich Mensch und Hammer gemeinsam im Kreis, aber sobald der Hammer losgelassen wird, saust er mit hoher Geschwindigkeit davon. Hill hat das alles durchgerechnet und kam zu dem Schluss, dass - je nach Masse des schwarzen Lochs - Sterne mit bis zu 4000 Kilometer pro Sekunde davon rasen könnten. Und würde man solche hypervelocity stars finden, dann wäre das ein ziemlich guter Beleg dafür, dass da wirklich ein supermassereiches schwarzes Loch im Zentrum unserer Galaxie sitzt.
Im Jahr 2005 hat man - belegt durch sehr viele andere Beobachtungsdaten - schon längst keinen Zweifel mehr an der Existenz der supermassereichen schwarzen Löcher gehabt. Aber Jack Hills Vorhersage ist dennoch eingetreten: Warren Brown, Margaret Geller, Scott Kenyon und Michael Kurtz entdeckten einen Stern, der sich in Bezug auf das Zentrum der Milchstraße mit 853 Kil...
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Sternengeschichten Folge 567: Der Granatstern My Cephei
Rot bis in den Tod
Sternengeschichten Folge 567: Der Granatstern My Cephei
"Einen sehr ansehnlicher Stern, der nicht von Flamsteed markiert wurde, kann man in der Nähe des Kopfes von Kepheus finden. Er hat eine schöne, tief granatrote Farbe (...) und ist ein äußerst schönes Objekt, ganz besonders wenn man zuvor einige Zeit einen weißen Stern betrachtet, bevor man das Teleskop auf ihn richtet."
Das schrieb der Astronom Wilhelm Herschel im Jahr 1783 in einem Aufsatz, in dem er unter anderem Sterne auflistete, die er am Himmel sehen konnte, die aber nicht im Katalog seines Kollegen John Flamsteed zu finden waren. Den Stern, den Herschel da neben vielen anderen erwähnt, bezeichnen wir heute als "My Cephei" oder auch als "Granatstern". Seine rote Farbe ist tatsächlich etwas besonderes; es ist der röteste Stern, den man mit bloßem Auge am Himmel sehen kann. Aber bevor wir uns mit seiner Farbe beschäftigen, klären wir zuerst einmal die grundlegenden Dinge.
My Cephei ist, wie der Name sagt, am Himmel im Sternbild Kepheus zu finden, das am Nordhimmel zwischen der Kassiopeia und dem Drachen liegt. Man kann Kepheus und damit auch My Cephei das ganze Jahr über in der Nacht beobachten. Seine Entfernung ist schwer zu bestimmen, liegt aber verMytlich bei circa 3000 Lichtjahren. Die Helligkeit von My Cephei ist veränderlich; sie schwankt zwischen 3,4 und 5 Magnituden. Je nachdem, wann man gerade schaut, kann er also wie ein durchschnittlich heller Stern am Himmel erscheinen oder wie ein sehr schwach leuchtender, den man ohne optische Hilfsmittel gerade noch sehen kann. Die Helligkeitsschwankungen sind dabei komplex und werden von zwei Perioden von 850 beziehungsweise 4400 Tagen dominiert.
Und warum verändert der Granatstern seine Helligkeit? Weil es sich dabei um einen roten Überriesen handelt und einen besonders großen noch dazu. Seine Leuchtkraft ist gut 300.000 mal höher als die der Sonne, womit My Cephei zu den hellsten Überriesen der gesamten Milchstraße gehört. Der Stern ist gut 1500 mal größer und 25 mal schwerer als die Sonne, mit einer Oberflächentemperatur von circa 3200 Grad aber ein paar tausend Grad kühler. Man Myss sich nochmal klar machen, wie groß das wirklich ist. Würde man My Cephei ins Zentrum unseres Sonnensystems setzen, würde er weit über die Umlaufbahn des Jupiter und fast bis zum Saturn reichen!
So groß sind Sterne normalerweise nicht; so groß werden sie erst gegen Ende ihres Lebens und auch nur, wenn sie schon recht groß angefangen haben. Wir wissen, dass sich auch unsere Sonne ausdehnen wird, wenn sie in ein paar Milliarden Jahren den Wasserstoff in ihrem Zentrum komplett zu Helium fusioniert hat. Dann wird sie anfangen, Helium zu anderen chemischen Elementen zu fusionieren und mehr Energie produzieren als vorher. Sie wird im Kern deutlich heißer werden und auch ihre äußeren Schichten werden wärmer. So warm, dass der Wasserstoff, der sich dort befindet, nun auch fusionieren kann. Die Kernfusion wird dann im Kern und in den äußeren Schichten stattfinden; sehr viel mehr Energie wird aus dem Inneren der Sonne nach außen dringen und der ganze Stern wird sich dadurch stark aufblähen. Die Sonne wird allerdings höchstens bis zur Erdbahn reichen; um ein roter Überriese zu werden, hat sie nicht genügend Masse.
My Cephei allerdings schon und dieser Stern hat die Endphase seines Lebens schon erreicht. Er hat dafür auch nur gut 10 Millionen Jahre gebraucht; im Gegensatz zu den circa 10 Milliarden Jahre, die es bei der Sonne insgesamt dauern wird, bis sie den aufgeblähten Zustand erreicht. Aber wir wissen ja, dass die Kernfusion in einem Stern umso heftiger und schneller abläuft, je größer seine Masse ist und My Cephei ist eben ein enorm großer Stern.
Rote Überriesen wie My Cephei zeigen auch so gut wie immer Helligkeitsveränderungen. Wie sie genau entstehen, ist immer noch nicht eindeutig geklärt. Aber es hat verMytlich mit ihrer komplexen Struktur zu tun. Eben weil die Kernfusion nicht mehr nur im innersten Kern abläuft sondern auch in den äußeren Schichten, kann sich dadurch die Durchlässigkeit dieser Schichten für Strahlung ändern. Die wird unter anderem davon bestimmt, wie viele freie Elektronen dort existieren. Normalerweise sind die Elektronen ja Teil der Hülle der Atome, aber wenn es heiß genug wird, können sie sich ablösen und verhindern, dass sich die Strahlung, die von weiter innen kommt, ungestört nach außen ausbreiten kann. Sie "staut" sich quasi, heizt den Stern weiter auf, was zu einer zusätzlichen Ausdehung und erhöhter Helligkeit führt. Durch die Ausdehung kühlt die Schicht aber wieder ab, die Durchlässigkeit wird höher und die gestaute Strahlung kann entweichen. Ich hab das in Folge 64 schon mal ein wenig genauer erklärt, als es um den Kappa-MechanisMys gegangen ist und man verMytet, dass so etwas ähnliches auch in den roten Überriesen stattfindet.
Ich habe jetzt schon oft erwähnt, dass My Cephei ein roter Übe...
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Sternengeschichten Folge 569: Galaktische Gezeiten
Ebbe und Flut aus Sternen
Sternengeschichten Folge 569: Galaktische Gezeiten
Wenn man von Gezeiten spricht, denkt man zuerst an den Mond. Kein Wunder, denn die Gezeiten, die wir hier auf der Erde erleben sind ja auch höchst beeindruckend. Ebbe und Flut an den Küsten der Meere haben im Laufe der Geschichte großen Einfluss auf unsere Kultur gehabt, auf den Handel, die Schifffahrt, und so weiter. Und diese Gezeiten werden vom Mond verursacht.
Oder besser gesagt: Sie werden auch vom Mond verursacht. Für ein Drittel der Gezeitenwirkung die wir beobachten, ist die Sonne verantwortlich. Denn die Gezeiten sind nichts, was speziell mit dem Mond zu tun hat. Gezeitenkräfte sind ein viel umfassenderes Phänomen. Gezeiten sind eine spezielle Auswirkung der Gravitationskraft. Jeder Körper mit Masse übt eine Gravitationskraft auf jeden anderen Körper mit Masse aus und zwar umso stärker, je größer die beteiligten Massen sind und je geringer der Abstand zwischen ihnen ist. Bei den Gezeiten kommt es aber nicht auf die Stärke der Gravitationskraft an, sondern auf den Unterschied zwischen Gravitationskräften.
Das bedeutet, dass es um einen Gradient in der Gravitationskraft geht und DAS bedeutet, dass die Gezeiten etwas sind, was entsteht, wenn an unterschiedlichen Orten unterschiedlich starke Gravitationskräfte wirken. Ich habe in Folge 161 der Sternengeschichten schon sehr ausführlich erklärt, wie die Gezeiten auf der Erde verursacht werden und wir haben festgestellt, dass das im Detail eine ziemlich knifflige Angelegenheit ist. Aber die Grundlage des Phänomens besteht darin, dass unterschiedliche Orte der Erdoberfläche unterschiedlich weit vom Mond entfernt sind. Und weil die Stärke der Gravitationskraft eben auch vom Abstand abhängt, ist auch die Gravitationskraft, die der Mond auf diese unterschiedlichen Orte ausübt, unterschiedlich stark - selbst wenn es nur um ein paar tausend Kilometer Unterschied im Abstand zum Mond geht. Diese Unterschiede sind natürlich trotzdem gering, aber sie können sich in den Ozeanen der Erde so auswirken und verstärken, dass am Ende Ebbe und Flut entstehen.
Dass der Mond für den Großteil der Gezeitenwirkung verantwortlich ist, liegt nur daran, dass er der Erde so nahe ist. Die Sonne ist deutlich weiter entfernt, hat aber auch eine viel größere Masse. Insgesamt reich das aus, dass auch sie noch eine relevante Gezeitenkraft ausüben kann, weil eben auch unterschiedliche Orte der Erde unterschiedlich weit von der Sonne entfernt sind. Sie sind auch unterschiedlich weit von der Venus weg, dem Mars, und so weiter. Aber abseits von Sonne und Mond sind alle anderen Himmelskörper des Sonnensystems entweder zu klein, zu weit entfernt oder beides, so dass die von ihnen ausgeübte Gezeitenkraft vernachlässigbar gering ist.
Aber wir müssen im Sonnensystem ja nicht halt machen. Wie gesagt: Gezeiten sind ein ganz allgemeines Phänomen. Womit wir jetzt bei den galaktischen Gezeiten sind. Wenn wir eine Galaxie wie unsere Milchstraße in ihrer Gesamtheit betrachten, dann übt sie natürlich ebenfalls eine Gravitationskraft aus. All die Sterne, die Gaswolken, die dunkle Materie und der Rest aus dem sie besteht hat Masse und mit dieser Masse erzeugt sie eine Gravitationskraft mit der sie zum Beispiel andere Galaxien in ihrer Umgebung beeinflusst. Die Masse in der Galaxis ist aber nicht gleichmäßig verteilt. Im Zentralbereich der Milchstraße sind die Sterne dicht gedrängt; dort finden sich auch sehr viel mehr Sterne als weiter außen und auch das supermassereiche schwarze Loch sitzt dort. Im Gegensatz zu den dünn besiedelten äußeren Regionen der Milchstraße übt die Zentralregion also eine starke Gravitationskraft aus.
Unser Sonnensystem liegt ungefähr 25.000 Lichtjahre von dieser Zentralregion entfernt. Wenn wir jetzt also eine Linie durch die Sonne zum Zentrum der Milchstraße ziehen, dann wird die Gravitationskraft entlang dieser Linie in Richtung Zentrum immer stärker und in die andere Richtung immer schwächer. Stellen wir uns vor, dass die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne gerade an dem Punkt angelangt ist, der dem galaktischen Zentrum am nächsten ist. Dann wird sie eine stärkere Gravitationskraft spüren als wenn sie sich auf dem genau gegenüberliegenden Punkt befindet. Sie ist also Gezeitenkräften ausgesetzt, die vom Zentrum der Galaxis ausgeübt werden. Hat das irgendwelche Auswirkungen und wenn ja, welche?
Nun: Der Abstand zwischen Erde und Sonne beträgt 150 Millionen Kilometer. Der Abstand zwischen zwei einander gegenüberliegenden Punkten ihrer Bahn beträgt das doppelte, also 300 Millionen Kilometer. Das ist nichts im Vergleich zu den 25.000 Lichtjahren Abstand zum galaktischen Zentrum. Das ist 800 Millionen mal weiter entfernt! Die Gravitationskraft der nahen Sonne ist der absolut dominierende Einfluss auf die Erde; ob sie 300 Millionen Kilometer näher oder weiter weg vom galaktischen Zentrum ist, spielt für sie absolut keine Rolle. Die galakt...
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