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NachDenkSeiten – Die kritische Website - Lob des Laizismus – Warum der Staat selbst gottlos sein sollte

Lob des Laizismus – Warum der Staat selbst gottlos sein sollte

11/20/22 • 11 min

NachDenkSeiten – Die kritische Website

In ihrem kürzlich ins Deutsche übersetzten Buch „Lob des Laizismus“ sorgt sich die französische Autorin Caroline Fourest um unsere mühsam erkämpfte Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit. Ihr Plädoyer: Wir müssen unsere freiheitliche Gesellschaft gegen jede Form religiöser Anmaßung verteidigen. Von Helmut Ortner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Beginnen wir hierzulande. Noch immer gibt es eine Fülle anachronistischer Gesetze und Subventionen, etwa bei der horrenden öffentlichen Finanzierung von Kirchentagen oder der Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, die Finanzierung theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten bis hin zu Kirchenredaktionen in deutschen Landes-Rundfunkanstalten. Daran wird sich auch in naher Zukunft wenig ändern. Zu stark ist der klerikale Lobbyismus, die Kirchenhörigkeit der Politik. Dabei gibt es einen klaren Verfassungsauftrag in Deutschland, die Komplizenschaft von Kirche und Staat zu beenden. Seit mehr als einhundert Jahren. Doch passiert ist bislang nichts.

Dabei hat eine integrationsbedingte Pluralisierung der religiösen Geografie die bewährte, traditionelle Arbeitsteilung zwischen Kirche und Staat in Schieflage gebracht. Der Staat ist gefordert, sich religionspolitisch neu zu orientieren. Wie das Neutralitätsgebot des Staates angesichts wachsender kultureller, ethnischer und religiöser Vielfalt vorangetrieben, wie Grundsätze des säkularen Staates verteidigt werden können, darüber besteht wenig Einigkeit.

Vielleicht kann die Lektüre des gerade auf Deutsch erschienenen Buches der französischen Autorin Caroline Fourest hier für beschleunigten Erkenntnisgewinn sorgen. Ihre Streitschrift möchte uns daran erinnern, das Weltliche vom Religiösen zu trennen, gerade weil die fundamentalistische Verschmelzung von beidem vielerorts hoch im Kurs steht. Notwendiger denn je ist – so die Autorin – eine »laizistische Wachsamkeit«. Fourest klärt auf: Schon der Begriff Laizismus wird vielfach unterschiedlich definiert und gedeutet. Im Arabischen wird er häufig mit Atheismus verwechselt, während die englischsprachige Welt ihn mit »Säkularismus« gleichsetzt. Häufig einigt man sich darauf, darunter die Trennung von religiösen und zivilen Räumen zu verstehen, ohne jedoch auf einer rigiden Separierung beider Bereiche zu bestehen.

In Frankreich ist man da etwas anspruchsvoller – und strikter. Was mit Laizismus zum Ausdruck gebracht wird, ist die unbedingte Leidenschaft für Gewissens- und Weltanschauungs-Freiheit. Im Gesetz von 1905 heißt es:

Die Republik gewährleistet Gewissensfreiheit, garantiert die freie Ausübung der Religion (...) erkennt jedoch weder einen Kultus an, noch zahlt sie ihm Gehälter oder Subventionen.

Das Gesetz ist Text und Ideal zugleich. Keine Religion wird staatlich bevorzugt. Es schafft ein gesellschaftliches Gleichgewicht, das den Kräften des religiösen Dogmatismus in einem jahrhundertelangen Kampf abgerungen wurde. Doch das »französische Modell«, um das es in diesem Buch zentral geht – also die Trennung von Staat und Kirche sowie die religiöse Neutralität des Ersteren – steht unter heftiger Kritik. Höchste Zeit also für dessen Verteidigung, meint Caroline Fourest, Sachbuchautorin, Journalistin und Filmemacherin, die sich selbst als »Charlie-Hebdo-Linke« bezeichnet. Mit klarer Sprache und rhetorischer Verve verweist sie darauf, dass Frankreich sich in einem fanatischen, mörderischen Religions-Kampf befindet, was hierzulande gerne ignoriert wird: Zwischen 1979 und 2021 gab es 82 islamistische Attentate mit über 330 Toten. Eine Schreckensbilanz. Die Autorin plädiert für eine offensive Gegenwehr.

In dieser brisanten Melange aus Terror, Hass, Gleichgültigkeit, Rechtfertigung und gegenseitiger Schuldzuweisung stehen auch die Grundsätze und Grundwerte des Laizismus unter Beschuss. Zwar findet der Laizismus in der öffentlichen Meinung Frankreichs weitgehende Zustimmung – und doch hat er Feinde, auch viele falsche Freunde. Ob Extremisten, Nationalisten oder Identitäre, alle bedienen sich seiner. Von der Rechten und der extremen Rechten jahrhundertlang bekämpft, wird er als Waffe zur Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Islam benutzt. Fourest verwahrt sich hier gegen jede Form vereinnahmender Instrumentalisierung, die, wie etwa Marine Le Pens Rassemblement National, laizistische Argumente im Kampf gegen Islam und Islamismus einsetzt, dabei „die Neutralität der laizistischen Schule beschwört und eine christlich-klerikale Idee von Nation verteidigt. Das Gegenteil der republikanischen Idee von Gleichheit und Brüderlichkeit, welche der Laizismus ist” (S. 211).

Die Linke hingegen traue sich nicht, offensiv laizistische Argumente zu benutzen, weil sie befürchte, damit den grassierenden Rassismus zu stärken, moniert Fourest. Einer der kursierenden Einwände lautet, dass der Laizismus geg...

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In ihrem kürzlich ins Deutsche übersetzten Buch „Lob des Laizismus“ sorgt sich die französische Autorin Caroline Fourest um unsere mühsam erkämpfte Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit. Ihr Plädoyer: Wir müssen unsere freiheitliche Gesellschaft gegen jede Form religiöser Anmaßung verteidigen. Von Helmut Ortner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Beginnen wir hierzulande. Noch immer gibt es eine Fülle anachronistischer Gesetze und Subventionen, etwa bei der horrenden öffentlichen Finanzierung von Kirchentagen oder der Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, die Finanzierung theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten bis hin zu Kirchenredaktionen in deutschen Landes-Rundfunkanstalten. Daran wird sich auch in naher Zukunft wenig ändern. Zu stark ist der klerikale Lobbyismus, die Kirchenhörigkeit der Politik. Dabei gibt es einen klaren Verfassungsauftrag in Deutschland, die Komplizenschaft von Kirche und Staat zu beenden. Seit mehr als einhundert Jahren. Doch passiert ist bislang nichts.

Dabei hat eine integrationsbedingte Pluralisierung der religiösen Geografie die bewährte, traditionelle Arbeitsteilung zwischen Kirche und Staat in Schieflage gebracht. Der Staat ist gefordert, sich religionspolitisch neu zu orientieren. Wie das Neutralitätsgebot des Staates angesichts wachsender kultureller, ethnischer und religiöser Vielfalt vorangetrieben, wie Grundsätze des säkularen Staates verteidigt werden können, darüber besteht wenig Einigkeit.

Vielleicht kann die Lektüre des gerade auf Deutsch erschienenen Buches der französischen Autorin Caroline Fourest hier für beschleunigten Erkenntnisgewinn sorgen. Ihre Streitschrift möchte uns daran erinnern, das Weltliche vom Religiösen zu trennen, gerade weil die fundamentalistische Verschmelzung von beidem vielerorts hoch im Kurs steht. Notwendiger denn je ist – so die Autorin – eine »laizistische Wachsamkeit«. Fourest klärt auf: Schon der Begriff Laizismus wird vielfach unterschiedlich definiert und gedeutet. Im Arabischen wird er häufig mit Atheismus verwechselt, während die englischsprachige Welt ihn mit »Säkularismus« gleichsetzt. Häufig einigt man sich darauf, darunter die Trennung von religiösen und zivilen Räumen zu verstehen, ohne jedoch auf einer rigiden Separierung beider Bereiche zu bestehen.

In Frankreich ist man da etwas anspruchsvoller – und strikter. Was mit Laizismus zum Ausdruck gebracht wird, ist die unbedingte Leidenschaft für Gewissens- und Weltanschauungs-Freiheit. Im Gesetz von 1905 heißt es:

Die Republik gewährleistet Gewissensfreiheit, garantiert die freie Ausübung der Religion (...) erkennt jedoch weder einen Kultus an, noch zahlt sie ihm Gehälter oder Subventionen.

Das Gesetz ist Text und Ideal zugleich. Keine Religion wird staatlich bevorzugt. Es schafft ein gesellschaftliches Gleichgewicht, das den Kräften des religiösen Dogmatismus in einem jahrhundertelangen Kampf abgerungen wurde. Doch das »französische Modell«, um das es in diesem Buch zentral geht – also die Trennung von Staat und Kirche sowie die religiöse Neutralität des Ersteren – steht unter heftiger Kritik. Höchste Zeit also für dessen Verteidigung, meint Caroline Fourest, Sachbuchautorin, Journalistin und Filmemacherin, die sich selbst als »Charlie-Hebdo-Linke« bezeichnet. Mit klarer Sprache und rhetorischer Verve verweist sie darauf, dass Frankreich sich in einem fanatischen, mörderischen Religions-Kampf befindet, was hierzulande gerne ignoriert wird: Zwischen 1979 und 2021 gab es 82 islamistische Attentate mit über 330 Toten. Eine Schreckensbilanz. Die Autorin plädiert für eine offensive Gegenwehr.

In dieser brisanten Melange aus Terror, Hass, Gleichgültigkeit, Rechtfertigung und gegenseitiger Schuldzuweisung stehen auch die Grundsätze und Grundwerte des Laizismus unter Beschuss. Zwar findet der Laizismus in der öffentlichen Meinung Frankreichs weitgehende Zustimmung – und doch hat er Feinde, auch viele falsche Freunde. Ob Extremisten, Nationalisten oder Identitäre, alle bedienen sich seiner. Von der Rechten und der extremen Rechten jahrhundertlang bekämpft, wird er als Waffe zur Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Islam benutzt. Fourest verwahrt sich hier gegen jede Form vereinnahmender Instrumentalisierung, die, wie etwa Marine Le Pens Rassemblement National, laizistische Argumente im Kampf gegen Islam und Islamismus einsetzt, dabei „die Neutralität der laizistischen Schule beschwört und eine christlich-klerikale Idee von Nation verteidigt. Das Gegenteil der republikanischen Idee von Gleichheit und Brüderlichkeit, welche der Laizismus ist” (S. 211).

Die Linke hingegen traue sich nicht, offensiv laizistische Argumente zu benutzen, weil sie befürchte, damit den grassierenden Rassismus zu stärken, moniert Fourest. Einer der kursierenden Einwände lautet, dass der Laizismus geg...

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undefined - „Schluss mit der Willy-Brandt-Folklore“

„Schluss mit der Willy-Brandt-Folklore“

Beim heutigen Teil der Serie ist der Begriff „alter“ in Klammern gesetzt. Mit gutem Recht. Denn aus gegebenem Anlass dokumentieren wir an diesem großen Tag die Einlassung des heutigen Vorsitzenden der SPD, Lars Klingbeil, über die Entspannungspolitik des früheren Vorsitzenden und Bundeskanzlers Willy Brandt. Klingbeil meint, um Willy Brandt und seine Arbeit würden eine Art Folklore betrieben. Dass er das meint, ist angesichts seiner mangelnden Fähigkeiten und Ausstrahlung verständlich, es ist wirklich nicht leicht, der Nachfolger Willy Brandts zu sein. Bevor Klingbeils Einlassungen dokumentiert werden, ist der Hinweis auf das heutige Datum wichtig. Vor genau 50 Jahren hat die SPD 45,8 Prozent erreicht. Das Folgende war das Ergebnis insgesamt.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Nach den neuesten Umfragen erreicht die SPD zurzeit unter dem Vorsitz von Herrn Klingbeil zwischen 18 und 21 Prozent.

Gesamtübersicht siehe hier:

Das ist weniger als die Hälfte von 1972 und auch weniger, als bei der Bundestagswahl 2021 erreicht worden ist, als die SPD mit 25,7 Prozent zwar mehr, aber dennoch ein miserables Ergebnis erzielte.

Nun aber zu dem Artikel, der heute unser historisch relevantes Dokument sein soll, ein Artikel des Redaktionsnetzwerkes Deutschland, verbunden mit dem Applaus des dortigen Redakteurs Decker:

Sozialdemokratische Außenpolitik: Schluss mit der Willy-Brandt-Folklore

Außenpolitik war lange kein Thema in Deutschland. Das ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ganz anders. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil lüftet dabei in seiner Partei kräftig durch. Gut so, findet Markus Decker.

07.11.2022, 00:01 Uhr

...

rnd.de/politik/sozialdemokratische-aussenpolitik-schluss-mit-der-willy-brandt-folklore-ZXO63B2PBBALFJX4UPNZVTNIQY.html

Wenn Sie möchten, dass es Ihnen übel wird, dann sollten Sie diesen Beitrag und vor allem die Äußerungen des SPD-Vorsitzenden lesen.

Es passt ins Bild, dass wir am Vortag des 19. November auf der offiziellen Webseite der SPD keinerlei Hinweis auf den Wahlsieg von 1972 finden. Eine Partei ohne historisches Bewusstsein. Eine Partei ohne Geschichte.

Das ist auch deshalb besonders grotesk, weil die heutige SPD wie auch andere Parteien aus dem dortigen Wahlkampf viel lernen könnten. Darauf habe ich zu Beginn dieser Woche schon einmal hingewiesen. Siehe hier: 91,1 % Wahlbeteiligung. Das gab’s genau vor 50 Jahren. Die Mobilisierung von Millionen Menschen.

In diesem Artikel war beschrieben worden, dass der Aufschwung aus einem Tief, das 2 Monate vor der Wahl zu konstatieren war, vor allem der Mobilisierung von Hunderttausenden von Freundinnen und Freunden der SPD zu verdanken war. Wenn die heutige SPD das nicht mehr schafft, dann wird sie aus dem Keller nicht herauskommen und dann wird sie bei den nächsten Wahlen auch nicht mehr das Glück haben, mit einem der schlechtesten Ergebnisse zufällig noch den Bundeskanzler stellen zu dürfen.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es zwischen der SPD-Spitze um Klingbeil und der SPD-Fraktionsspitze um Rolf Mützenich einen die Friedenspolitik betreffenden Disput gibt. Von Rolf Mützenich wissen wir, dass er die Friedenspolitik als wichtigen Teil der SPD-Geschichte und der Gegenwart nicht entsorgen will. Von Lars Klingbeil wissen wir, dass er sie dringend loshaben möchte. Das hat auch damit zu tun, dass er Vertreter der Rüstungslobby in der SPD ist. Er kommt aus Munster. Er hat sich schon damit gebrüstet, ein Panzermuseum im Wahlkreis zu haben. Das muss man erst mal schaffen.

Zum Abschluss noch eine persönliche Bemerkung: In meinem Leben gibt es zwei herausragende politische und demokratierelevante Ideen und Taten:

  1. Die Idee für die NachDenkSeiten und ihre Umsetzung ab dem 30. November 2003 und
  2. Die Planung und Umsetzung des Bundestagswahlkampfes 1972.

Eines der schönsten Ereignisse war der Wahlabend am 19. November 1972 in der Parteizentrale der SPD. Die folgende Aufnahme stammt von diesem Abend:

Rechts im Bild der damalige Bundesgeschäftsführer Holger Börner, daneben Günter Grass. In der Mitte Willy Brandt, der aus dem Kanzleramt gekommen war, um sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ...

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undefined - Wirtschaftsministerium: Bau von LNG-Terminals wird mehr als doppelt so teuer wie geplant

Wirtschaftsministerium: Bau von LNG-Terminals wird mehr als doppelt so teuer wie geplant

Es läuft nicht rund bei den Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums unter Robert Habeck. Wie sein Ministerium jetzt auf Presseanfragen einräumen musste, werden Anschaffung und Unterhalt der schwimmenden Flüssigerdgas-Terminals den Steuerzahler mindestens 6,56 Milliarden Euro kosten, das sind über 3,5 Milliarden Euro mehr als bislang geplant. Dazu kommen weitere Haushaltsmittel für das Jahr 2023, die das Ministerium derzeit „nicht genau“ beziffern könne. Bisher hat das Wirtschaftsministerium zudem keine Schritte unternommen, um die jeweiligen Vergabeverfahren sowie die bisherigen und künftigen Verträge mit den Betreibern der LNG-Terminals der parlamentarischen Kontrolle zugänglich zu machen. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Haushaltsausschuss im Bundestag hat in der vergangenen Woche zusätzliches Geld für Errichtung und Betrieb der umstrittenen LNG-Terminals bewilligt. Im Haushaltsplan für 2022 waren zunächst auf Grundlage von Planungen des Wirtschaftsministeriums 2,94 Milliarden Euro dafür vorgesehen.

Diese Summe sei in der ersten Phase der Neuorganisation der Gasversorgung eingestellt worden, teilte das Ministerium mit. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums erklärte gegenüber den NachDenkSeiten verklausuliert die Gründe für den Kostenanstieg:

„Der Gesamtbedarf hat sich in 2022 auf rund 6,56 Milliarden Euro Haushaltsmittel erhöht. Hinzu kommen weitere Haushaltsmittel in 2023. Diese Erhöhung war in einer zweiten Phase aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Situation notwendig. So hat die vertragswidrige Einstellung der Gaslieferungen durch Russland durch Nord Stream 1 umso deutlicher gemacht, wie wichtig alternative Infrastrukturen sind.“

Im Rahmen von „umfangreichen Abstimmungen mit zahlreichen Akteuren“ seien, so die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums fortführend, „weitere Kosten bestimmt und zunächst prognostizierte Kosten konkretisiert“ worden. Das betreffe unter anderem Betriebskosten und Kosten für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen an Land.

Die Mehrkosten dienten, so die Rechtfertigung für die Kostenerhöhung, „direkt der Finanzierung von Vorhaben, die essenziell für die deutsche Energiesicherheit für die kommenden Winter sind.“ Ohne verlässliche neue Gasversorgung seien relevante Teile der Industrie im nächsten Jahr gefährdet.

3D-Darstellung von zwei schwimmende LNG-Gasspeichern mit Ankerstopp und je zwei Tankschiffen – Quelle: shutterstock / LaNataly

Der Verweis auf die sich „dynamisch entwickelnde Situation“ gibt einen Hinweis, was für selbstverschuldete Faktoren für die enorme Preissteigerung mutmaßlich verantwortlich sind. Ähnlich wie beim übereilten und völlig überteuerten Einkauf von Erdgas durch die Trading Hub Europe hat auch im aktuellen Fall die Art der forcierten Einkaufspolitik durch die Bundesregierung zu der Preisexplosion beigetragen.

Dazu hatte Jens Berger bereits im August 2022 in einer Analyse geschrieben:

„Die Firma Trading Hub Europe (THE) [...] hat nun die hoheitliche Aufgabe, den Markt sprichwörtlich leerzukaufen und die nationalen Gasspeicher mit der technisch maximalen Menge pro Tag zu füllen. [...] Auf den Preis soll THE dabei nicht achten, sondern blindlinks zu jedem aufgerufenen Preis einkaufen. [...] Deutschland kauft also derzeit ohne Sinn und Verstand den Markt leer.“

Ein Energieexperte kommentierte ähnlich:

„Die EU-Regierungen kaufen in Panik Gas, als sei es Klopapier während einer Pandemie“.

Wie beim panikgetriebenen Kauf von Gas zeigt sich auch die preisliche Wirkung beim ebenso panischen Erwerb von schwimmenden LNG-Terminals. Dabei sollte klar sein, dass Panik eigentlich immer ein schlechter Ratgeber ist und eine noch schlechtere Grundlage beim Verhandeln und Einkauf von Energieträgern.

Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch weitere Details, die aus den Unterlagen des Haushaltsausschusses hervorgehen. So mussten die jetzt erworbenen Terminals teilweise für 15 Jahre gechartert werden statt für zehn, wie ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehen.

Damit wird auch die Darlegung des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck, LNG sei nur eine kurzzeitige „Übergangslösung“, Lügen gestraft. Dies zeigt sich noch eindrücklicher bei den derzeit mit US-Anbietern ausgehandelten LNG-Verträgen. Die US-Seite besteht hier auf Laufzeiten zwischen 15 und 25 Jahren und kann dies auch problemlos durchsetzen, da Deutschland sich in nur wenigen Monaten in eine komplette energiepolitische Sackgasse und Abhängigkeit von den USA manövriert hat.

Denn angebotsseitig ist der Weltmarkt für LNG fest in der Hand von drei Exporteuren, die zusammen über zwei Drittel der Exportkapazitäten verfügen: Die USA, Katar und Australien. Wobei im Falle Deutschlands und der EU vor allem die kommende mas...

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