
Grüne und Migration: Wer Waffenruhen sabotiert, sollte von „humanitärer“ Flüchtlingspolitik schweigen
10/26/23 • 6 min
Auf der einen Seite trommelt die grüne Außenministerin gegen eine Waffenruhe in Gaza, wie auch schon gegen Verhandlungen zu einem Waffenstillstand in der Ukraine. Auf der anderen Seite wird in der Debatte um die auch durch diese Politik ausgelösten Flüchtlingsströme eine „menschenrechtsorientierte“ Position simuliert. Der Mythos einer „humanitären“ Flüchtlingspolitik der Grünen wird auch durch viele Journalisten gepflegt – er ist aber unhaltbar. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Die „Humanität“ der Grünen bei der Frage der Migration ist ein gut gepflegter Mythos: Durch grünes Trommeln gegen Waffenruhen werden Flüchtlingsströme ausgelöst und verlängert. Durch innenpolitisches grünes Trommeln für Militarisierung, Sanktionskrieg und eine sündhaft teure Aufrüstung werden soziale Fragen skandalös ignoriert, was wiederum auch die hier lebenden Migranten empfindlich trifft.
Die neuen Regelungen zur Asylpolitik sind als weitgehend folgenlose Symbolpolitik zu bezeichnen. Hier soll die aktuelle, begleitende Debatte dazu betrachtet werden und vor allem die unvereinbaren doppelten Standards der Grünen bei dem Thema: Wer einerseits geopolitische Konflikte aktiv schürt und bei bestehenden Kriegen gegen Verhandlungen und Waffenstillstand argumentiert, kann sich nicht andererseits als besonders „humanitär“ bei der Flüchtlingsfrage darstellen. Zumindest sollte das eigentlich nicht möglich sein, wenn Logik und gesunder Menschenverstand nicht weitgehend aus der Asyldebatte verdrängt worden wären.
„Eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik gehört zur grünen Identität“
Die allermeisten der hier ankommenden Flüchtlinge sind im Übrigen keine „Klimaflüchtlinge“ – sie wurden stattdessen direkt oder indirekt durch bewaffnete Konflikte in die Flucht getrieben, die von NATO-Staaten oder ihren Verbündeten ausgelöst und in die Länge gezogen wurden und werden (etwa in Afghanistan, Libyen oder Syrien – und wenn man die Vorgeschichte in den Blick nimmt, auch in der Ukraine), das haben wir kürzlich in diesem Artikel näher beschrieben.
Trotzdem wird von vielen Grünen, aber auch von zahlreichen verbündeten Journalisten immer noch der Mythos gepflegt, die Anhänger und Führer der grünen Partei würden sich einer besonders „humanitären Flüchtlingspolitik“ verpflichtet fühlen. In den letzten Tagen wurde diese Heuchelei einmal mehr deutlich. Etwa die Tagesschau schreibt dazu:
„Eine in erster Linie an Humanität orientierte Flüchtlingspolitik gehört zur quasi unverhandelbaren Kern-DNA der Grünen.“
Und die taz behauptet:
„Die anderen halten das für einen schweren Fehler. Weil eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik für sie zur grünen Identität gehört.“
Die grüne Politik sei also „an Humanität orientiert“ und eine „Menschenrechtsorientierung“ gehört gar zur Identität, so die hartnäckige und wohlgepflegte Legende. Dass dazu aber die ganz unverblümte Position vieler grüner Politiker zur Kriegsverlängerung in der Ukraine (zum Beispiel hier oder hier) oder aktuell die Ablehnung einer Waffenruhe in Gaza nicht passt, weil durch militaristische Politik die Menschen erst in die Flucht getrieben werden, ist so offensichtlich, dass man es kaum erwähnen möchte. Aber wir erleben eine Zeit, in der auch die größten Selbstverständlichkeiten immer wieder gegen den irrationalen Zeitgeist verteidigt werden müssen. So zum Beispiel auch die Aussage: Wer kriegerische Konflikte zum einen nicht verhindert und sie dann auch noch verlängert und offensiv gegen Waffenruhen eintritt, sollte zu einer „menschenrechtsorientierten“ Flüchtlingspolitik schweigen.
Zur Situation in Nahost: Eine Waffenruhe in Gaza ist dringend angezeigt, auch wenn der Terror der Hamas scharf zu verurteilen ist, wie ich kürzlich in diesem Artikel betont habe.*
Die Migranten sind unschuldig!
Dass die Grünen zwar innerhalb der Bundesregierung als die intensivsten Treiber einer Politik der Militarisierung und des selbstzerst...
Auf der einen Seite trommelt die grüne Außenministerin gegen eine Waffenruhe in Gaza, wie auch schon gegen Verhandlungen zu einem Waffenstillstand in der Ukraine. Auf der anderen Seite wird in der Debatte um die auch durch diese Politik ausgelösten Flüchtlingsströme eine „menschenrechtsorientierte“ Position simuliert. Der Mythos einer „humanitären“ Flüchtlingspolitik der Grünen wird auch durch viele Journalisten gepflegt – er ist aber unhaltbar. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Die „Humanität“ der Grünen bei der Frage der Migration ist ein gut gepflegter Mythos: Durch grünes Trommeln gegen Waffenruhen werden Flüchtlingsströme ausgelöst und verlängert. Durch innenpolitisches grünes Trommeln für Militarisierung, Sanktionskrieg und eine sündhaft teure Aufrüstung werden soziale Fragen skandalös ignoriert, was wiederum auch die hier lebenden Migranten empfindlich trifft.
Die neuen Regelungen zur Asylpolitik sind als weitgehend folgenlose Symbolpolitik zu bezeichnen. Hier soll die aktuelle, begleitende Debatte dazu betrachtet werden und vor allem die unvereinbaren doppelten Standards der Grünen bei dem Thema: Wer einerseits geopolitische Konflikte aktiv schürt und bei bestehenden Kriegen gegen Verhandlungen und Waffenstillstand argumentiert, kann sich nicht andererseits als besonders „humanitär“ bei der Flüchtlingsfrage darstellen. Zumindest sollte das eigentlich nicht möglich sein, wenn Logik und gesunder Menschenverstand nicht weitgehend aus der Asyldebatte verdrängt worden wären.
„Eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik gehört zur grünen Identität“
Die allermeisten der hier ankommenden Flüchtlinge sind im Übrigen keine „Klimaflüchtlinge“ – sie wurden stattdessen direkt oder indirekt durch bewaffnete Konflikte in die Flucht getrieben, die von NATO-Staaten oder ihren Verbündeten ausgelöst und in die Länge gezogen wurden und werden (etwa in Afghanistan, Libyen oder Syrien – und wenn man die Vorgeschichte in den Blick nimmt, auch in der Ukraine), das haben wir kürzlich in diesem Artikel näher beschrieben.
Trotzdem wird von vielen Grünen, aber auch von zahlreichen verbündeten Journalisten immer noch der Mythos gepflegt, die Anhänger und Führer der grünen Partei würden sich einer besonders „humanitären Flüchtlingspolitik“ verpflichtet fühlen. In den letzten Tagen wurde diese Heuchelei einmal mehr deutlich. Etwa die Tagesschau schreibt dazu:
„Eine in erster Linie an Humanität orientierte Flüchtlingspolitik gehört zur quasi unverhandelbaren Kern-DNA der Grünen.“
Und die taz behauptet:
„Die anderen halten das für einen schweren Fehler. Weil eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik für sie zur grünen Identität gehört.“
Die grüne Politik sei also „an Humanität orientiert“ und eine „Menschenrechtsorientierung“ gehört gar zur Identität, so die hartnäckige und wohlgepflegte Legende. Dass dazu aber die ganz unverblümte Position vieler grüner Politiker zur Kriegsverlängerung in der Ukraine (zum Beispiel hier oder hier) oder aktuell die Ablehnung einer Waffenruhe in Gaza nicht passt, weil durch militaristische Politik die Menschen erst in die Flucht getrieben werden, ist so offensichtlich, dass man es kaum erwähnen möchte. Aber wir erleben eine Zeit, in der auch die größten Selbstverständlichkeiten immer wieder gegen den irrationalen Zeitgeist verteidigt werden müssen. So zum Beispiel auch die Aussage: Wer kriegerische Konflikte zum einen nicht verhindert und sie dann auch noch verlängert und offensiv gegen Waffenruhen eintritt, sollte zu einer „menschenrechtsorientierten“ Flüchtlingspolitik schweigen.
Zur Situation in Nahost: Eine Waffenruhe in Gaza ist dringend angezeigt, auch wenn der Terror der Hamas scharf zu verurteilen ist, wie ich kürzlich in diesem Artikel betont habe.*
Die Migranten sind unschuldig!
Dass die Grünen zwar innerhalb der Bundesregierung als die intensivsten Treiber einer Politik der Militarisierung und des selbstzerst...
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Balticconnector – Chronologie einer geplatzten Verschwörungstheorie
Als am 8. Oktober die Finnland und Estland verbindende Gaspipeline „Balticconnector“ wegen eines Lecks abgeriegelt werden musste, ließen Verschwörungstheorien nicht lange auf sich warten. „Der Russe war’s“, so viel schien von Anfang an klar zu sein. Angeheizt wurde diese Verschwörungstheorie von – wohl absichtlich – missverständlichen Äußerungen der Offiziellen in den beiden beteiligten Ländern und willfährigen Medien. Dabei stand wohl bereits sehr früh fest, dass die Pipeline durch den Anker eines chinesischen Containerschiffes beschädigt wurde. Auch deutsche Medien beteiligten sich munter an den Spekulationen und glänzten einmal mehr durch Desinformation. Von Jens Berger.
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Die Nacht vom 7. auf den 8. Oktober war stürmisch im Finnischen Meerbusen – Windstärke 6 mit Wellen bis zu drei Meter. Bei einem solchen „Schietwetter“ meiden Schiffe gerne die Fahrt auf offener See und gehen abseits des Fahrwassers erst einmal vor Anker, bis sich die See wieder beruhigt hat. Das ist jedoch nicht ungefährlich. Die Anker von größeren Containerschiffen wiegen viele Tonnen und sind an massiven Ankerketten befestigt, die mehrere hundert Meter lang sind. Wird ein solch großes Schiff von einer Strömung erfasst, kann es passieren, dass es den Anker hinter sich herzieht und welchen Schaden ein solches Ungetüm auf dem Meeresboden anrichten kann, wird sich wohl jeder vorstellen können. Daher ist das Ankern außerhalb des Fahrwassers auch an Stellen, an denen beispielsweise Wracks, Munitionsreste, Unterseekabel oder gar Pipelines liegen, verboten. Doch bekanntlich hält sich nicht jeder Kapitän an Regeln und oft ist das Kartenmaterial veraltet.
Als am 8. Oktober die ersten Meldungen über eine Beschädigung der Balticconnector-Pipeline über die Ticker liefen, hätte daher für jeden, der sich mit der Materie beschäftigt, ein solcher Ankerunfall die erste Arbeitshypothese sein müssen. Wie später bekannt wurde, kannten die finnischen und die estnischen Behörden bereits am Folgetag, dem 9. Oktober, die exakte Position des Pipeline-Lecks und über öffentlich zugängliche Positionsdaten ließ sich bereits an diesem Tag feststellen, dass zum Zeitpunkt der Beschädigung mindestens sechs große Schiffe ohne Fahrt in der Nähe der Unglücksstelle lagen – wie viele davon zeitweise den Anker gesetzt hatten, lässt sich aus diesen Daten jedoch nicht herauslesen. Später reduzierte sich die Zahl der infrage kommenden Schiffe auf zwei – das nuklear angetriebene russische Frachtschiff Sevmorput und das chinesische Frachtschiff Newnew Polar Bear; beide lagen in der Nähe des Pipelinelecks vor Anker, beide sind wirklich groß und verfügen über tonnenschwere Anker, die eine Pipeline beschädigen können.
Das Alles war den Behörden mit sehr großer Sicherheit bereits am 9. Oktober bekannt. Dennoch unterließ man es, diese Informationen zu veröffentlichen und so schossen seitens der Medien die ersten Fake News ins Kraut. So meldete beispielsweise der SPIEGEL am 10. Oktober unter Berufung auf einen angeblichen Experten, es habe „wahrscheinlich“ eine „Explosion“ gegeben und es sei „unwahrscheinlich“, dass es sich um etwas anderes gehandelt habe. Fake News, wie einen Tag später die finnischen Behörden mitteilten, die ihrerseits eine Explosion ausschlossen und von einer „mechanischen Krafteinwirkung“ als Unglücksursache ausgingen. Anstatt dies zu erklären und die damals bereits vorliegende – und auch naheliegende – Erklärung zu veröffentlichen, dass ein schleifender Anker die allerwahrscheinlichste Ursache für eine solche „mechanische Krafteinwirkung“ war – was außer Godzilla soll auch sonst eine 50 cm dicke, mit Betonwand verstärkte Pipeline wegreißen? -, heizten die finnischen Behörden lieber selbst die Spekulationen an, indem sie behaupteten, dass die Schäden „höchstwahrscheinlich absichtlich herbeigeführt wurden“. Das war die Steilvorlage für die Medien – in Finnland, Estland und auch in Deutschland.
Die Süddeutsche griff am 10. Oktober die Spekulationen ihrer finnischen Kollegen auf und zeigte gleich auf, in welche Richtung die Spekulationen gehen:
Nach Informationen des Rundfunksenders Yle soll es sich nicht um einen Unfall handeln. Die Zeitung Iltalehti berichtet gar, Regierung und Militär vermuteten, dass Russland die Leitung angegriffen habe.
Die FAZ titelt...
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Gunnar Kaiser – Nachruf auf meinen Klassenlehrer und Youtube-Star
Gunnar Kaiser ist am 12. Oktober von uns gegangen. Er war für mich eine große Inspiration und auch ein Anker während der verrückten Coronazeit. Und auch schon acht Jahre vorher hatte ich das große Glück, ihn als meinen Klassenlehrer auf dem Gymnasium zu haben. Von Ole Jacobsen.
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Wir alle liebten damals seine unkonventionelle Art, den Unterricht zu leiten. Einmal kamen mein bester Freund und ich in die Klasse, und er schickte uns wieder auf den Flur, da wir 25 Sekunden zu spät seien. Ein älterer Schüler, der ihn aus dem Philosophieunterricht kannte, kam vorbei und wusste sofort, dass es sich um Herrn Kaiser handelte, als wir ihm erzählten, was passiert war.
Sein Unterricht war immer von Humor begleitet, und er schaffte es auf verschiedene Weise, das strenge Schulsystem aufzulockern. Nachdem er einmal von einer Schwedenreise zurückkam, führte er bei uns freiwillige Hausaufgaben ein.
Er wechselte nach unserer Klasse die Schule; nach Köln, wo er auch lebte. Einige Jahre später wurde ich dann auf seinen Youtube-Kanal aufmerksam. Es ging um Philosophie und aktuelle gesellschaftliche Themen. Seine angenehm frische und klare Rhetorik und seinen scharfen Blick ließ er genau wie vorher im Unterricht nun in seine Videos einfließen.
Mit Aufkommen der Corona-Pandemie erlangte sein Kanal dann größere Bekanntheit. Ich muss gestehen, dass mich seine Kritik an den Maßnahmen erst nicht tangierte, da ich nach den Lockerungen im Sommer 2020 dachte, der Spuk sei vorbei und die Regierung habe vielleicht nur ein bisschen überreagiert.
Sein Video „Was habt ihr getan?“ fand ich dann aber so überzeugend, und es hat mich ernsthaft zum Hinterfragen der laufenden Politik gebracht. Darüber entstand auch der Kontakt zu den NachDenkSeiten. Ich schrieb Gunnar über Instagram, wo er vielen von uns alten Schülern folgte, und er war erfreut zu hören, dass Albrecht Müller mein Opa ist und das Video teilen würde.
Die Nachricht von Gunnars Krankheit hat mich bestürzt, da er während der Coronazeit, die uns so sehr mitgenommen hat, eine so verlässliche, klare und vernünftige Stimme gewesen ist. Umso schöner war es zu sehen, dass Gunnar selbst seine Krankheit zum Anlass nahm, um Dinge bewusst zu reflektieren, neue schöne Seiten des Lebens zu erforschen und das mit uns zu teilen.
Sein Tod kommt trotzdem unerwartet, und es ist schwer zu glauben, dass er, der er mich unverhofft für so lange Zeit begleitet hat, nun nicht mehr unter uns weilt.
Mein tiefstes Mitgefühl gilt seinen engen Freunden, seiner Familie und auch all denjenigen von uns, die das Glück hatten, ihn als Mentor und Inspiration in seinen Videos oder in der Schule erleben zu dürfen.
Ole Jacobsen
Nachbemerkung der NachDenkSeiten: Gunnar Kaiser war eine wichtige, erfrischend kritische Stimme. Alle, die die offene demokratische Debatte schätzen, haben ihm viel zu verdanken. Er hat viele Menschen beeindruckt und beeinflusst. Wir trauern mit seiner Familie und allen, die ihn schätzten und mochten.
Die NachDenkSeiten haben vor knapp drei Jahren auf ein Gespräch mit Gunnar Kaiser hingewiesen. Das ist ein Andenken, auf das wir bei dieser Gelegenheit gerne verweisen: Gunnar Kaiser im Gespräch mit Albrecht Müller
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