
Das casalQuartett spielt Mozarts Streichquartett C-Dur KV 170
02/26/22 • 14 min
Das Quartett in den Kinderschuhen
Mozart ist 17, als er seine „Wiener Quartette“ zu Papier bringt – die Gattung selbst ist da auch noch im Teenager-Alter: Joseph Haydn, gewissermaßen der „Vater des Streichquartetts“, hat seine ersten Quartette erst vor etwa 12 Jahren geschrieben, allerdings noch fünfsätzig und unter der Bezeichnung „Divertimenti“. 1771 (und zwei Jahre vor Mozarts „Wiener Quartetten“) erscheint Haydns op. 9, seine erste „richtige“ Streichquartettserie, die die Grundform und Satzfolge der Gattung für Jahrzehnte prägt.Quartette nach Haydnschem Vorbild
Mit diesen Quartetten op. 9 und den beiden folgenden Streichquartettserien Haydns beschäftigt sich Mozart ausführlich während einer Reise, die er im Sommer 1773 mit seinem Vater Leopold nach Wien unternimmt. Viel anderes scheint er auch nicht zu tun zu haben. Auftritte in der kaiserlichen Residenzstadt sind für diesen Zeitraum kaum dokumentiert. So schreibt Mozart seinen eigenen Streichquartettzyklus im Haydnschen Stil: sechs viersätzige Quartette, davon steht eines in Moll und eines – nämlich KV 170, unser Musikstück der Woche – beginnt mit einem Variationssatz. Auch wenn die Wiener Quartette erst nach Mozarts Tod veröffentlicht wurden, gelangten sie wahrscheinlich schon vorher am Salzburger Hof oder auf Mozarts Reisen zur Aufführung.... auf sündhaft teuren Instrumenten
In unserer Aufnahme spielt das casalQuartett auf Instrumenten von Jacobus Steiner. Er war einer der großen Geigenbauer des 17. Jahrhunderts und lieferte seine Instrumente an viele europäische Fürstenhöfe, darunter auch an den Salzburger Hof. Zu Mozarts Zeit waren die Stainer-Instrumente sogar beliebter (und teurer!) als die der großen italienischen Meister Stradivari und Amati. Heute wechseln Stainer-Geigen für sechsstellige Beträge den Besitzer. Tendenz: steigend. Das casalQuartett ist immer auf der Suche nach seltenem Repertoire: Bei seinem Auftritt im Mai 2014 bei den Schwetzinger SWR Festspielen spielte es Mozarts Quartett und andere Werke aus der Geburtszeit des Streichquartetts stilecht auf vier historischen Instrumenten von Jacobus Stainer. Zum Beethoven-Jubiläumsjahr entstand in Kooperation mit SWR2 die CD-Serie „Beethovens Welt. Der Revolutionär und seine Rivalen“. Dabei kombiniert das casalQuartett Werke von Beethoven mit denjenigen seiner unbekannteren Zeitgenossen, die zeitgleich entstanden.Das Quartett in den Kinderschuhen
Mozart ist 17, als er seine „Wiener Quartette“ zu Papier bringt – die Gattung selbst ist da auch noch im Teenager-Alter: Joseph Haydn, gewissermaßen der „Vater des Streichquartetts“, hat seine ersten Quartette erst vor etwa 12 Jahren geschrieben, allerdings noch fünfsätzig und unter der Bezeichnung „Divertimenti“. 1771 (und zwei Jahre vor Mozarts „Wiener Quartetten“) erscheint Haydns op. 9, seine erste „richtige“ Streichquartettserie, die die Grundform und Satzfolge der Gattung für Jahrzehnte prägt.Quartette nach Haydnschem Vorbild
Mit diesen Quartetten op. 9 und den beiden folgenden Streichquartettserien Haydns beschäftigt sich Mozart ausführlich während einer Reise, die er im Sommer 1773 mit seinem Vater Leopold nach Wien unternimmt. Viel anderes scheint er auch nicht zu tun zu haben. Auftritte in der kaiserlichen Residenzstadt sind für diesen Zeitraum kaum dokumentiert. So schreibt Mozart seinen eigenen Streichquartettzyklus im Haydnschen Stil: sechs viersätzige Quartette, davon steht eines in Moll und eines – nämlich KV 170, unser Musikstück der Woche – beginnt mit einem Variationssatz. Auch wenn die Wiener Quartette erst nach Mozarts Tod veröffentlicht wurden, gelangten sie wahrscheinlich schon vorher am Salzburger Hof oder auf Mozarts Reisen zur Aufführung.... auf sündhaft teuren Instrumenten
In unserer Aufnahme spielt das casalQuartett auf Instrumenten von Jacobus Steiner. Er war einer der großen Geigenbauer des 17. Jahrhunderts und lieferte seine Instrumente an viele europäische Fürstenhöfe, darunter auch an den Salzburger Hof. Zu Mozarts Zeit waren die Stainer-Instrumente sogar beliebter (und teurer!) als die der großen italienischen Meister Stradivari und Amati. Heute wechseln Stainer-Geigen für sechsstellige Beträge den Besitzer. Tendenz: steigend. Das casalQuartett ist immer auf der Suche nach seltenem Repertoire: Bei seinem Auftritt im Mai 2014 bei den Schwetzinger SWR Festspielen spielte es Mozarts Quartett und andere Werke aus der Geburtszeit des Streichquartetts stilecht auf vier historischen Instrumenten von Jacobus Stainer. Zum Beethoven-Jubiläumsjahr entstand in Kooperation mit SWR2 die CD-Serie „Beethovens Welt. Der Revolutionär und seine Rivalen“. Dabei kombiniert das casalQuartett Werke von Beethoven mit denjenigen seiner unbekannteren Zeitgenossen, die zeitgleich entstanden.Vorherige Episode

Telemanns Chalumeaux-Konzert mit dem Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz
Klasse plus Masse
Im Umgang mit Georg Philipp Telemann zeigt sich durch die Jahrhunderte hinweg immer noch eine gewisse Ratlosigkeit. Einerseits besaß er bei seinen Zeitgenossen einen überragenden Rang und war hoch geachtet, andererseits war er von solch einer unbegreiflichen Produktivität, dass eine Übersicht über sein Werk und eine Einordnung seiner Kompositionen schier unmöglich erscheint. Nicht umsonst ist er ungerechterweise als „Vielschreiber“ deklassiert worden. Dass er eines der größten Marketing-Genies im Musikbereich der Zeit war, der sein Kompositionsvolumen geschickt und schnell auf die jeweilige Nachfrage abstimmen konnte, ist dagegen unbestritten. So hat er auch die Gattung Konzert zwar nicht weiterentwickelt, doch mangelte es ihm bei seinen angebotenen „Concerti“ wahrhaftig nicht an Originalität.Telemanns Vorliebe für das Chalumeau
Originell ist unter anderem die Verwendung des Chalumeaus als Soloinstrument, das als Vorläufer der Klarinette mit ganz eigenen Klangcharakteristiken aufwarten kann. Auch wenn die Lexika des 18. Jahrhunderts den Klang des Instruments als wenig günstig („als wenn ein Mensch durch die Zähne singet“), ja eher als unangenehm und wild beschreiben, so hat gerade dieses Eigentümliche zumal aus heutiger Sicht seinen ganz eigenen Reiz. So wurde das Instrument im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts u. a. im Hamburger Opernorchester, dessen Leitung Telemann als Hamburger Director musices ab 1722 übernahm, kultiviert. Höchstwahrscheinlich stammt das Konzert aber noch aus seiner Frankfurter Zeit. Dort ist Telemann wohl durch die Nähe zum Darmstädter Hof und dessen Hofkapellmeister Christoph Graupner, der seine zahlreichen geistlichen Kantaten und Instrumentalwerken mit Chalumeaux instrumentierte, inspiriert worden.So sieht das Chalumeau aus Italienische Gattung mit französischen Zutaten
Die in Italien kultivierte Gattung Concerto trat zunehmend mit den Werken Antonio Vivaldis ihren Siegeszug in ganz Europa an. Telemann mischt, vor allem im d-Moll-Konzert, die „Zutaten“ der genuin französische Ouvertürensuite in diesen Concerto-Stil mit ein. So fallen beispielsweise die punktierten Rhythmen des langsamen ersten Satzes auf, die einer französischen Opern-Ouvertüre entnommen sein könnten. Die gleichberechtigt und paarweise erscheinenden zwei Chalumeaux (ein Alt- und ein Tenor-Chalumeau) grenzt Telemann stets vom Streichertutti ab. Dadurch wird die sensible, kantable Stimmführung der Soloinstrumente besonders in den langsamen Sätzen deutlich. Die schnellen Sätze zeichnen sich durch sehr individuelle, zum Teil von der Tanz- und Volksmusik beeinflusste Machart aus: Echte musikalische Schmuckstücke für alle Musikfreunde, die sich auf neue Hörerfahrungen einlassen wollen.Nächste Episode

Christine Busch und Musiker*innen spielen Maria Bachs „Wolgaquintett“
Die Komponistin
„In Maria Bachs Schaffen binden sich mannigfache Elemente, Exotismus, fesselnde Schreibweise, poetisch inspiriert“, schreibt Fritz Skorzeny 1943 im „Wiener Tagblatt“. Die 1896 in Wien geborene Komponistin wurde ab ihrem 6. Lebensjahr musikalisch ausgebildet, mit 14 studierte sie Geige bei Arnold Rosé und ab 1919 als eine der ersten Studentinnen bei Joseph Marx an der Wiener Musikakademie. Die nationalsozialistische Zeit überstand Maria Bach ohne Einschränkungen: Ihre Musik wurde nicht als „entartet“ eingestuft, sie war ebenfalls Mitglied der Reichsmusikkammer. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sie nicht mehr im Konzertbetrieb Fuß fassen, ihre Werke wurden vorwiegend im privaten Bereich aufgeführt.Technisch an der Grenze des Machbaren
Gerade in ihrer Kammermusik begibt sich die Komponistin auf eine Art und Weise an die Grenzen des Machbaren, wie das nur jemand kann, der mit den Instrumenten aus eigener Erfahrung vertraut ist. Die differenzierten Klangfarben ihres Streichersatzes zeigen ihr profundes Verständnis für die technischen und klanglichen Möglichkeiten auch der Streichinstrumente. Ihre größten Erfolge in dieser Gattung stammen aus den 1920er- und 1930-Jahren, darunter die 1924 entstandene Sonate für Cello und Klavier, das Streichquintett von 1936 und das „Wolgaquintett“aus dem Jahr 1928. In diesem Klavierquintett schreibt Maria Bach äußerst virtuos und anspruchsvoll für Klavier, mit klanglichem Reichtum und kompositorischer Wucht. Ihre emotionale und expressive Tonsprache ist mit starken dynamischen Kontrasten versehen, modale Motive weisen zusätzlich in die impressionistische Richtung.Expressive Spätromantik und impressionistische Effekte
Ein romantisch klagendes Motiv im Unisono von erster Violine und Cello verbindet sich im Eingangssatz mit fließenden Umspielungen der übrigen Instrumente zu einer musikalisch versonnenen, später eindringlichen Erzählung. Im Zentrum des Werks steht der vielschichtige Variationensatz über die Melodie des russischen Volkslieds der „Wolgaschlepper“. Reminiszenzen an vorangegangene Abschnitte, vor allem Volksmusikanklänge, mit perkussiven und minimalistischen Spieltechniken und viel Chromatik, zeichnen das Finale des „Wolgaquintetts“ aus: eine Wiederentdeckung, die unzweifelhaft das Repertoire für Klavierquintett um ein farbiges Meisterwerk bereichert.Wenn dir diese Episode gefällt, wirst du lieben
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