
Was ist Ethnopsychoanalyse?
01/24/23 • 23 min
Es sind die 1960er-Jahre, drei Schweizer Psychoanalytiker:innen machen sich auf die Reise in die ehemalige französischen Kolonie im westafrikanischen Mali, um mit psychoanalytischen Methoden ethnologische Forschungen durchzuführen. Sie wollen die Volksgruppe der Dogon „mit den Ohren kennenlernen“, indem sie analytische Gespräche mit ihren Mitgliedern führen, und begründen so ein neues Forschungsfeld: die Ethnopsychoanalyse. Vor dem Hintergrund von Dagmar Herzogs Buch „Cold War Freud. Psychoanalysis in an Age of Catastrophes“ sprechen Aaron Lahl und Hannah Schmidt-Ott über die Ethnopsychoanalyse als Forschungsmethode, die Zeit- und Raumgebundenheit psychoanalytischer Konzepte und die Verquickung von Psychoanalyse und Politik.
Aaron Lahl ist Psychologe und Sexualforscher, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der International Psychoanalytic University Berlin und hat „Cold War Freud“ kürzlich ins Deutsche übersetzt. Hannah Schmidt-Ott ist Redakteurin beim sozialwissenschaftlichen Fachforum Soziopolis und der Zeitschrift Mittelweg 36
Literatur
Dagmar Herzog: Cold War Freud. Psychoanalysis in an Age of Catastrophes, Cambridge UP 2016.
Paul Parin / Goldy Parin-Matthèy / Fritz Morgenthaler: Die Weissen denken zuviel. Psychoanalytische Untersuchungen bei den Dogon in Westafrika (4. Aufl., mit einem neuen Vorwort von P. Parin und G. Parin-Matthèy), Europäische Verlagsanstalt 1993(1963). Online unter: http://paul-parin.info/wp-content/uploads/texte/deutsch/1993c.pdf
David Becker:„Die Gutmütigkeit des Afrikaners. Überlegungen zur Ethnopsychoanalyse aus postkolonialer Sicht, in Johannes Reichmayr (Hg.), Ethnopsychoanalyse revisited. Gegenübertragung in transkulturellen und postkolonialen Kontexten, Psychosozial Verlag 2016, S. 319–341.
Weiterführende Literatur
Aaron Lahl / Patrick Henze: Developing Homosexuality: Fritz Morgenthaler, Junction Points, and Psychoanalytic Theory. Psychoanalysis and History 22(1), 2020, S. 79–100.
Paul Parin / Goldy Parin-Matthèy / Fritz Morgenthaler: Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst. Psychoanalyse und Gesellschaft am Modell der Agni in Westafrika, Suhrkamp 1971. Online unter: http://paul-parin.info/wp-content/uploads/texte/deutsch/1971a.pdf
Johannes Reichmayr: Ethnopsychoanalyse. Geschichte, Konzepte, Anwendungen, Psychosozial Verlag 2013.
Mario Erdheim: Fritz Morgenthaler und die Entstehung der Ethnopsychoanalyse, in: Fritz Morgenthaler, Der Traum. Fragmente zur Theorie und Technik der Traumdeutung (hg. von Paul Parin / Goldy Parin-Matthèy / Mario Erdheim / Ralf Binswanger / Hans-Jürgen Heinrichs, Campus 1990, S. 187–209.
Vera Saller: Die Afrika-Bücher: Einst Pioniertaten, heute überholt?, in: Journal für Psychoanalyse 25/26 (45/46), 2005/2006, S. 227–241.
Vittorio Lingiardi / Nicola Carone: Die Herausforderung des Ödipus in sich verändernden Familien. Geschlechtsidentifizierungen und Zugang zur Herkunft in gleichgeschlechtlichen Elternfamilien bei Fortpflanzung mithilfe von Dritten, in: Internationale Psychoanalyse 15, 2020, S. 225–250.
Kontakt: [email protected]
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Es sind die 1960er-Jahre, drei Schweizer Psychoanalytiker:innen machen sich auf die Reise in die ehemalige französischen Kolonie im westafrikanischen Mali, um mit psychoanalytischen Methoden ethnologische Forschungen durchzuführen. Sie wollen die Volksgruppe der Dogon „mit den Ohren kennenlernen“, indem sie analytische Gespräche mit ihren Mitgliedern führen, und begründen so ein neues Forschungsfeld: die Ethnopsychoanalyse. Vor dem Hintergrund von Dagmar Herzogs Buch „Cold War Freud. Psychoanalysis in an Age of Catastrophes“ sprechen Aaron Lahl und Hannah Schmidt-Ott über die Ethnopsychoanalyse als Forschungsmethode, die Zeit- und Raumgebundenheit psychoanalytischer Konzepte und die Verquickung von Psychoanalyse und Politik.
Aaron Lahl ist Psychologe und Sexualforscher, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der International Psychoanalytic University Berlin und hat „Cold War Freud“ kürzlich ins Deutsche übersetzt. Hannah Schmidt-Ott ist Redakteurin beim sozialwissenschaftlichen Fachforum Soziopolis und der Zeitschrift Mittelweg 36
Literatur
Dagmar Herzog: Cold War Freud. Psychoanalysis in an Age of Catastrophes, Cambridge UP 2016.
Paul Parin / Goldy Parin-Matthèy / Fritz Morgenthaler: Die Weissen denken zuviel. Psychoanalytische Untersuchungen bei den Dogon in Westafrika (4. Aufl., mit einem neuen Vorwort von P. Parin und G. Parin-Matthèy), Europäische Verlagsanstalt 1993(1963). Online unter: http://paul-parin.info/wp-content/uploads/texte/deutsch/1993c.pdf
David Becker:„Die Gutmütigkeit des Afrikaners. Überlegungen zur Ethnopsychoanalyse aus postkolonialer Sicht, in Johannes Reichmayr (Hg.), Ethnopsychoanalyse revisited. Gegenübertragung in transkulturellen und postkolonialen Kontexten, Psychosozial Verlag 2016, S. 319–341.
Weiterführende Literatur
Aaron Lahl / Patrick Henze: Developing Homosexuality: Fritz Morgenthaler, Junction Points, and Psychoanalytic Theory. Psychoanalysis and History 22(1), 2020, S. 79–100.
Paul Parin / Goldy Parin-Matthèy / Fritz Morgenthaler: Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst. Psychoanalyse und Gesellschaft am Modell der Agni in Westafrika, Suhrkamp 1971. Online unter: http://paul-parin.info/wp-content/uploads/texte/deutsch/1971a.pdf
Johannes Reichmayr: Ethnopsychoanalyse. Geschichte, Konzepte, Anwendungen, Psychosozial Verlag 2013.
Mario Erdheim: Fritz Morgenthaler und die Entstehung der Ethnopsychoanalyse, in: Fritz Morgenthaler, Der Traum. Fragmente zur Theorie und Technik der Traumdeutung (hg. von Paul Parin / Goldy Parin-Matthèy / Mario Erdheim / Ralf Binswanger / Hans-Jürgen Heinrichs, Campus 1990, S. 187–209.
Vera Saller: Die Afrika-Bücher: Einst Pioniertaten, heute überholt?, in: Journal für Psychoanalyse 25/26 (45/46), 2005/2006, S. 227–241.
Vittorio Lingiardi / Nicola Carone: Die Herausforderung des Ödipus in sich verändernden Familien. Geschlechtsidentifizierungen und Zugang zur Herkunft in gleichgeschlechtlichen Elternfamilien bei Fortpflanzung mithilfe von Dritten, in: Internationale Psychoanalyse 15, 2020, S. 225–250.
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Welche Geschichten erzählt die Gegenwartsliteratur? In der letzten Podcast-Folge des Jahres ziehen wir Bilanz und diskutieren mit Marie Schmidt und Carlos Spoerhase narrative Trends und Konjunkturen, die sich in jüngerer Zeit abgezeichnet haben: Welche Kritik gibt es am Trauma-Plot? Kennt die neuere Literatur noch klassische Liebesgeschichten? Wollen Leser:innen von Belletristik nur gefälliges Entertainment in Form altbekannter Stile und Motive? Und ist der Bedarf an autofiktionaler Literatur irgendwann gedeckt?
Marie Schmidt ist Literaturkritikerin bei der Süddeutschen Zeitung
Carlos Spoerhase ist Literaturwissenschaftler in München.
In der Januar-Folge sprechen wir mit Aaron Lahl über Ethnopsychoanalyse.
Literatur:
Annie Ernaux, Der junge Mann. Aus dem Französischen von Sonja Finck, Suhrkamp, im Erscheinen.
Benoîte Groult, Salz auf unserer Haut, Knaur 2017.
Christian Kracht, Eurotrash, Kiepenheuer & Witsch 2021.
Hanya Yanagihara, Ein wenig Leben, Hanser Berlin 2015.
Helen DeWitt, The English Understand Wool, New Directions 2022.
Hervé Le Tellier, Die Anomalie, Rowohlt 2021.
Honoré de Balzac, Glanz und Elend der Kurtisanen, aus dem Französischen von Rudolf von Bitter, Hanser 2022.
Laureate J. M. Coetzee, Elizabeth Costello, Viking Press 2003.
Lea Ypi, Frei. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte, aus dem Englischen von Eva Bonné, Suhrkamp 2022.
Leif Randt, Allegro Pastell, Kiepenheuer & Witsch 2020.
Martin Kordić, Jahre mit Martha, S.Fischer 2022.
Moritz Baßler, Populärer Realismus, Vom International Style gegenwärtigen Erzählens, C.H. Beck 2022.
Natasha Brown, Assembly, Penguin Books 2021.
Parul Sehgal, The Case Against the Trauma Plot, in: The New Yorker (2022); 10, online unter https://www.newyorker.com/magazine/2022/01/03/the-case-against-the-trauma-plot (18.12.2022).
Sebastian Fitzek, Mimik, Droemer 2022.
Thea Sternheim, Tagebücher 1903–1971, herausgegeben und ausgewählt von Thomas Ehrsam und Regula Wyss, Wallstein Verlag 2011.
Virgina Woolf, On Being Ill, in: The Criterion (1926), January.
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Was erzählen Renegaten?
Eine fast vergessene Sozialfigur ist auf die politische Bühne zurückgekehrt: der Renegat. Während sich in vielen Debatten die Fronten verhärten, erfreut sich die Selbsterzählung vom heroischen Wechsel der Seiten großer Beliebtheit; Renegatentum ist eine Pose geworden. Das aktuelle Heft des Mittelweg 36, „Renegaten – Konjunktur einer Kippfigur“, nimmt sich des Themas an. Jens Bisky spricht mit Mitherausgeberin Carolin Amlinger über Leute, die „aus Versehen“ konservativ, rechts, reaktionär geworden sind und nicht müde werden, davon zu erzählen. Welchen Mustern folgen diese Erzählungen? Welche Vorteile bringt die renegatische Pose? Und was verrät sie über „lechts und rinks“?
Carolin Amlinger lehrt an der Universität Basel. Mit Oliver Nachtwey hat sie die viel diskutierte Studie „Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus“ verfasst. 2021 erschien im Suhrkamp Verlag ihr Buch „Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit“. Jüngst hat sie gemeinsam mit Nicola Gess und Lea Liese Heft 1/2023 des „Mittelweg 36“ herausgegeben.
Jens Bisky ist leitender Redakteur des sozialwissenschaftlichen Fachforums Soziopolis und der Zeitschrift Mittelweg 36
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